Coup d'éclat am Chuenisberg

von Markus

Roland und mir wurde es an der Schauenburgerfluh nach dem erfolgreichen Durchstieg von "Es raschelt im Blätterwald" deutlich zu warm und so suchten wir ein neues, schattiges Klettergebiet. Bald waren wir uns einig: Chuenisberg. Anlässlich meines Besuches des Chuenisbergs im Februar, hatte mir Chris für seine beiden von ihm eingerichteten Routen „Coup d'éclat“ (in der Fluebible mit „L’état, c’est moi“ und von mir „Coup d'Etat" benannt) und die rechts davon mit fantastischem Bewegungen zu kletternde „Sonne im Herzen“ die Augen geöffnet. Es war die Bewertung von „Coup d'État, 6c“, die mich interessierte und natürlich der Umstand, nach 4 Jahren Projekt-Abstinenz wieder den Chuenisberg geniessen zu dürfen. Die Ruhe, das Alleinsein, keine Hektik – herrliche Momente, ich sehnte mich danach. 
Das kann doch einen Roland nicht erschüttern...
Es interessierte mich, ob sich denn nun endlich minimale Fortschritte in meiner Bewegungstechnik am Fels eingeschlichen haben könnten (Stichwort: Bewegungsschule) oder ob mein grobmotorischer Kletterstil weiterhin zu interessanten Fragestellungen führen würde. Am Chuenisberg klettern bedeutet immer viel Aufwand, aber es macht Spass nach einem erfolgreichen Durchstieg die ersten Versuche in der Route mit der ganz zum Schluss erfolgreichen Version der Kletterbewegungen zu vergleichen. Da tun sich, zumindest bei mir, Gräben auf. 

Zusammen mit Roland verbrachte ich nun, wie eigentlich immer, herrliche Stunden am ruhigen Chuenisberg und es gelang mir die Route „Coup d'État“ über den leichteren Einstieg von rechts. Dann ist die Route mit 6b/6b+ richtig bewertet. Die Originalroute checkt bei 6c ein und im Hinterkopf hatte ich die Idee, dass ich doch nach langer Zeit wieder einmal eine 6c versuchen könnte. Aber zwischen Idee und Wirklichkeit sind immer grosse Differenzen und 6c ist halt schon unheimlich hart - zu hart für mich. Deshalb konzentrierte ich mich auf die Route „Sonne im Herzen, 6b“ und „Rêve d’hiver, 6b“ (in der Fluebible „Angie“). Beide Routen konnte ich überraschend schnell klettern und so stand ich vor dem Problem, dass Roland „Sonne im Herzen“ noch nicht im Vorstieg klettern konnte, aber sehr nahe dran war und ich bereits alle Projekte geklettert hatte. Was tun? Gebietswechsel? Das wäre Roland gegenüber nicht fair gewesen und ich fühlte mich wirklich sehr wohl am Chuenisberg. Soll ich doch die Originalroute versuchen? An diesem Tag fand ich geschätzte 200 Ausreden, weshalb ich keine 6c klettern kann. Roland fand alle Lösungen zu seinem Projekt und deshalb war klar, dass wir ein weiteres Mal an den Chuenisberg gehen, damit Roland sein Projekt klettern kann. Und was mache ich? 

War ein schlauer Kerl, der Walt Disney
Da erinnerte ich mich an eine Situation mit Chris. Wochen zuvor habe ich ihm vorgejammert, dass es für mich schon sehr schön wäre, wieder einmal eine 6c zu klettern. Aber ich könne das einfach nicht. Ich sei zu dick, zu schwer, zu unbeweglich, zu untrainiert, kurzsichtig und in der Zwischenzeit zu alt und eine 6c im Basler Jura komme ich sowieso nie mehr hoch. Chris schaute mich seinerzeit verständnisvoll an und sagte ganz cool: „Markus. Weisst du weshalb du keine 6c klettern kannst?“ Ich antwortete: „Nein?“ und erhoffte mir insgeheim eine Bestätigung meiner vorgebrachten Argumente. Chris antwortete noch cooler: „Weil du es nie versuchst“. Boing! Chris hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Da der junge Jura-Saurier ein sehr interessantes Palmarès aufweist, warf ich alle meine Argumente über Bord und glaubte ihm sofort. Sein Wort hat sehr viel Gewicht bei mir und so hängte ich das Top-Rope einmal mehr in die Route "Coup d'État" um den Originaleinstieg zu klettern. Und es kam so, wie es kommen musste. Diese Moves bekomme ich nie hin, nie im Leben. Ich habe es doch gewusst, dass das nicht geht. Wie ich so etwas verzweifelt und konsterniert im Top-Rope hänge sagt Roland: „Weshalb stellst du die Bewegungen nicht etwas um? Dann kommst du besser an die guten Griffe.“ Aha, denke ich mir, da könnte was dran sein. Unter gütiger Zuhilfenahme von Rolands Kreativität stelle ich die Bewegungssequenz um und komme tatsächlich bedeutend besser an die guten Griffe. Einmal mehr hat mir Roland geholfen. Der Rest der Route ist klar und geht wunderbar auf. Könnte es mit der 6c also doch klappen? 

Da war mir noch zum Lachen... (Danke Chris)
Am 3. Juli 2014 tigern Roland und ich einmal mehr an den Chuenisberg. Zu unserer Überraschung sind wir nicht alleine vor Ort, sondern 2 bärenstarke Jungs arbeiten sich in „Ravage“ hoch. Das gibt uns zusätzlich Motivation, die Projekte erfolgreich abzuschliessen. Schon bald hängen die Express in den Routen und kurz darauf haben wir unsere Top-Rope Refresh-Durchgänge problemlos absolviert. Alles ist perfekt vorbereitet, die Bedingungen absolut ideal. Wer wagt den Go zuerst? Roland möchte als Zweiter starten. Im gleichen Augenblick steigt die Nervosität. Ich spüre die Aufregung, die Anspannung. Ich binde mich ins Seil ein, der Chalk-Bag wird richtig positioniert, das T-Shirt diesen einen Millimeter hochgezogen, binde meine brettharten Five-Ten. Ready. Erster Move, zweiter Move, Express klippen, Griff in den Magnesium-Beutel und die einstudierte Bewegungssequenz abrufen. Alles klappt wie am Schnürchen. Präzis wie selten stelle ich die Füsse auf die richtigen Tritte, die Griffe kralle ich mit der notwendigen Härte. Ich richte mich auf und klippe den zweiten Express. „Yes“ strömt es mir durch den Kopf, ich habe den Originaleinstieg geschafft. Nun geht es darum, cool zu bleiben und dieses Geschenk nicht aus der Hand zu geben. Schnell bin ich beim dritten Bolt angekommen und kann mich sehr gut für die kommenden verflixt komplizierten und harten Moves erholen. Wenige Minuten später hänge ich den Umlenker ein und bin überglücklich. 

Jetzt habe ich natürlich für Roland vorgelegt. Roland ist nun noch etwas nervöser als vorher. Wir besprechen seine Route nochmals und dann gilt es auch für ihn: Ready, Steady, Go! Roland klettert problemlos bis zur Schlüsselstelle. Dort, so weiss ich, hatte er bisher immer mit der Griffabfolge etwas Mühe. Doch was passiert? Er klettert einfach weiter und anschliessend fehlerfrei bis zum Umlenker. Normalerweise sage ich ihm in schwierigen Passagen die Tritte und Griffe vor. Dieses Mal musste ich das nicht tun und ich werde es auch den ganz Sommer nicht mehr tun müssen. Es sollte der Anfang einer wunderbaren Saison im Basler Jura werden.

Kommentare

Chris hat gesagt…
Chuenis... Wunderbar! Gratuliere und sag niemals nie :) Nur eine kleine Randbemerkung für Chronisten: eigentlich heisst die Route mit scherzhaftem Hintergrund "Coup d'éclat"... Gruss Chris
Markus hat gesagt…
Danke, Chris, für den Input. Ich hab's halt nicht so mit der französischen Sprache. Das klingt alles in etwa gleich und verstehen tue ich es ja sowieso nicht.