Hardway… ein Hauch von Frühling

von Chris

Irgendetwas Verkorkstes hatte dieser Winter an sich. Eigentlich eine tolle Jahreszeit zum Klettern - besonders an Südwänden - versprechen doch die niederen Temperaturen viel Grip und die Sonne heitert das Gemüt für die langen Nächte auf. Doch diesmal: Nebel, Hochnebel, Nässe. Gerne hätte ich mich mit OJD aufgemacht, in Soyhières unsere "Unclimbables" zu versuchen – Projekte, die weit über unserem jeweiligen Können liegen und dennoch etwas Faszinierendes an sich haben. OJD in 'L'aventure' und ich in der von mir eingebohrten Extension von 'Prélude',  welche auf den Namen 'L'anges déchus' hört – eine unglaubliche Boulderstelle. Vermutlich werde ich die nie schaffen – darum bezeichne ich es als 'Unclimbable'. Doch sind es interessante Züge, in welchen ich viel lerne. Insbesondere neue Ideen für die Lösung komplexer Bewegungen. Wie ich schon sagte, gerne hätte ich versucht. Doch diesen Winter sind alle potenziellen Projekte, die mich interessieren, im wahrsten Sinne des Wortes abgesoffen. Ich meinte bis anhin nach 33 Jahren Klettern zu wissen, was nasse Felsen bedeuten und wie bestimmte Gebiete aussehen, wenn sie einmal nass sind. Doch in den letzten Monaten und nach so mancher Fahrt, z.B. nach Soyhières, musste ich mir einen neuen Superlativ für schlechte Bedingungen am Fels ausdenken. Das dabei entstandene Wort schreibe ich hier lieber nicht nieder, da ich fürchte, die KESB könnten sonst die Sperrung unseres Blog veranlassen...
Die 12 Meter von Hardway 8b
Immer noch auf der Suche nach einem tollen, mir persönlich bedeutenden und natürlich auch trockenen Projekt, verkrümelte ich mich sogar für ein paar Tage nach St. Lèger, um ergebnislos zurückzukehren. Am Plastik – ohnehin eine Hassliebe – ging mir dann auch langsam die Motivation flöten. Erstens, aus irgendeinem mir sich nicht erschliessenden Grund kann ich nicht an Plastik klettern. Zweitens, warum soll ich mich trainingshalber quälen, wenn ich nicht weiss für was… Für mich korrelieren die Parameter 'tolles Projekt' und 'Bock zum Trainieren' auf engste Weise, respektive sind identische Begriffe… Trainieren, um stark zu werden, nur um des Stark-sein-Willens, interessiert mich nun mal Null… Oder 'Chris' und 'Plastik' sind wie zwei gleichpolige Magnete, die sich bei Annäherung abstossen. Und trotzdem pilgere ich jedes Mal in den Plastiktempel, in der Hoffnung meine an gehärtetem Kunstharz drangepresste Energie vermöge mir Schwingen verleihen, die mich mühelos über jede Crux eines in irgendeinem Wald dahingestreuten Lieblingsprojekt tragen. In diesem letzteren Satz wird meine Schizophrenie und gleichzeitige Gutgläubigkeit offenbar. Wenn ich mich aber im abendlichen Plastiktempel rumtreibe, scheine ich doch nicht der einzige zu sein, dem es so geht. In der Masse wird man als suchendes – oder besser doch umherirrendes – Individuum getragen. Sehr bequem… Statt Plastikbouldern sollte ich aber lieber wieder ans Campusboard wie letztes Jahr. Das scheint mich eher vorwärts zu bringen...

Und im März war es plötzlich doch soweit. Das Gerücht von trockenem Fels machte die Runde. Da schrillen die Alarmglocken. Sonne, geringe Luftfeuchtigkeit und nicht zu warm. Und jetzt? Eine kurze Inspektion im unclimbable 'L'Anges…' die ernüchternde Erkenntnis, dass Soyhières ein Wasserloch und der Schlüsselzug im Proj eine Quelle bleibt. Schnell in die Gorges du Court gefahren und – Dang!! – trockenen Fels gefunden. Unerklärlich, dass die Basisclimbs an der Nantes und das Petit Capucin zu dieser Jahreszeit schon trocken waren.
Hardway 8b - ein Kletterpic mit mir hat Seltenheitswert...
Lange hatte ich schon mit der 'Hardway' geliebäugelt. Ein kurzes Boulder- und Resistancemonster von Phil aus dem Jahr 1988, und seither mit nur sehr wenigen Wiederholungen. Bestehend aus den schmerzhaften Klemmern und wackeligen Zügen im Dach des Klassikers 'Subway' und dann weiter ohne jeden Schüttel- oder Rastpunkt über eine toughe Boulderstelle an Leisten in einem wie eine Haifischflosse zulaufenden Wulst. Aber auch beim Übergang in die abschliessenden technischen Züge kann man noch gut rausfallen. Highspeed, viel Selbstvertrauen, Schmerztoleranz und einen freien Kopf in den unsicheren Moves sind der Schlüssel für diese 12 Meter.
Immer draa bliibe...
Doch es gibt noch eine weitere Schlüsselstelle, die weniger mit dem Kletterproblem an sich, als vielmehr mit den Umständen um den Climb herum zu tun haben: ins Petit Capucin begleitet dich kaum jemand. Das macht Seilklettern immer äusserst delikat – die Abhängigkeit von einem Sicherungspartner. Dann ist das Dach bei Regen innert wenigen Stunden nass und bleibt es auch für geraume Zeit. Die Züge und der reibungsarme Fels sind so spezifisch und eigenartig, dass es klar ist, dass man konsequent dran bleiben muss. Jede längere Pause würde bedeuten, dass man sich erst wieder neu einbouldern muss. Bei mangelnden Sicherungspartnern ein No Go. Also muss es schnell und effizient gehen. Und das klingt nach Leistungssport… Was ich nicht sonderlich mag, da mich das als felsidealistischer Träumer eher unter Druck setzt, als motiviert.

Immerhin, diesmal gelang es mir, einem solchen Druck standzuhalten. Mit der Erfahrung aus 'Subway' vor vier Jahren, zwei Bouldersessions in den letzten Jahren alleine mit GriGri-Selbstsicherung im Hardway-Boulder und dem guten Geist von Tina und Basil, die mich über vier Tage massiv unterstützen, hab ich es doch hinbekommen. Zusammen mit Basil! Wow! Im Gegensatz zu ihm war meine Begehung knapp, sehr knapp. 

Ich möchte nicht jammern, aber doch habe ich den Eindruck, dass für kurze, boulderige Superresistance- Klettereien das zunehmende Alter eine Hypothek ist. Oder wie es Kty Wagner kürzlich treffend sagte: Für "Vieux Diesels" sind lange Ausdauerrouten mit vielen Rastpunkten einfach besser! Ich bin nur froh, glücklich und happy, dass es mir für diese spezielle und hochspezifische Kletterei gelangt hat. Hardway ist nun auch Vergangenheit – die Erinnerungskiste um ein Prachtexemplar reicher. Und heute beginnt der Frühling und bringt neue Zukunft...

Kommentare