Finale Ligure - Herbst 2017

Finale Ligure
von Markus

Nach dem erfolgreichen Frühjahrs-Trip war es für mich klar, dass ich gut trainiert, motiviert und mit verbesserter Technik im Herbst nochmals für ein paar Tage nach Finale fahre um das Gelernte für mich Epoche machend anwenden zu können. Jedoch, so viel sei bereits verraten, unterschied sich der Plan enorm von der Wirklichkeit.


Samstag, 21. Oktober 2017

Die Fahrt nach Finalborgo geht glatt über die Bühne, kein Stau am Gotthard, kein Stau bei Milano, freie Fahrt bis Finalborgo, Hotel Check-In problemlos. Ein kritischer Blick an den Himmel dämpft die Freude. Das Wetter spielt nicht ganz mit und wir müssen bereits nach einer Route im Gebiet "Gorilla" wieder abbrechen. Kurz bevor der Wolkenbruch einsetzt, sitzen wir wieder im Auto. Gott sei Dank hat es in Finalborgo Kletterläden, sodass wir uns von Shop zu Shop hangeln können auf der Suche nach Irgendwas, was sowieso niemand braucht. Als notorischer Shopping-Verweigerer erleide ich die Höchststrafe in Reinkultur. Ich wollte die antrainierten PS an den Fels bringen, mein neu erlerntes Können erfolgreich einsetzen, Freude haben. Stattdessen darf ich durch Läden streifen und feststellen, dass die angepriesene Ware teilweise deutlich teurer ist als in der Schweiz. Die Kletterseele erleidet Schaden. Das feine Abendessen vertreibt etwas meine wirklich schlechte Laune.

Sonntag, 22. Oktober 2017: Rocca de l'Aia und Placca Rosa

Rocca de l'Aia ist der markante Felsen im Zentrum des Bildes

Auf einer abenteuerlichen Strasse fahren wir Kilometer um Kilometer hoch zum Parkplatz des Rocca de l'Aia nur um bestürzt festzustellen, dass der Parkplatz randvoll ist. Am Rocca de l'Aia gibt es eine Mehrseillängen-Tour aus dem Jahre 1960, mein Jahrgang, ein absoluter Klassiker (beides :-)). Sofort kehren wir um mit dem Ziel Placca Rosa. Dort angekommen können wir es kaum glauben. Es klettert keine Menschenseele in diesem wunderbaren Gebiet. Placca Rosa ist perfekt, bester Fels, beste Absicherung und es gelingt mir eine wunderschöne 6a+ im Onsight. Das physische Training und das wieder erlernte Taktik-Training haben mir zum Erfolg verholfen. Stichworte: Comici, Rastpunkte identifizieren, Route einteilen und No-Hand-Rests optimal nützen. Ach, bin ich glücklich und zufrieden!

Montag, 23. Oktober 2017: Rocca de l'Aia und Capo Noli

Wiederum fahren wir diese abenteuerliche Strasse zum Rocca de l'Aia hoch. Der Parkplatz ist vollkommen leer und wir freuen uns auf die Tour. Doch dummerweise habe ich mich vorgängig nicht genügend mit dem Anmarsch auseinandergesetzt. Nach 2 Stunden herumirren im Wald mit einem vollbepackten Rucksack und Seil auf dem Rücken bin ich mit einer Mordswut im Bauch wieder zurück auf dem Parkplatz. Ach, bin ich verärgert. Auf dem Parkplatz finde ich endlich die sehr klare Anmarschskizze. Jedoch habe ich keine Lust mehr, nochmals rund 35 Minuten an den Fels zu marschieren.

Wo ist denn der Einstieg zum Quergang?

Der Ärger sollte bald verfliegen. Capo Noli steht auf dem Programm. Das sind die Felsen gleich am Meer, an der auch die legendäre Route "Dancing Dalle" liegt und das berühmte Bild von Wolfgang Güllich in dieser Route kennt wohl jeder. An den Felsen von Capo Noli gibt es einen 400 Meter langen Quergang rund 10 Meter über dem Meer. Den wollte ich auch unbedingt klettern. Die Beschreibung im Kletterführer ist etwas kurz geraten und so irre ich auf der Suche nach dem Einstieg hin und her. Doch als ich die Abseilstelle finde bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich denn da wirklich hinunter will um die ganzen 400 Meter zu klettern. So richtig einladend sieht das jetzt von oben alles nicht aus.

Der 400 Meter Quergang - die perfekte Ambiance

So muss nochmals ein Alternativ-Programm her. Ich finde die Stelle, an der eine leidlich gute Top-Rope Installation für das Klettern an den Felsen direkt über dem Meer eingerichtet werden kann. Unglücklicherweise habe ich den Kletterführer im Auto liegen lassen und so wissen wir nun nicht, ob wir nun eine 7a oder eine 5c klettern müssen. So oder so – beide Schwierigkeitsgrade gehen irgendwie und irgendwie wird das schon klappen. Glück gehabt: 25 Meter herrlichste Kletterei in bombenfestem Fels gleich über dem Meer ist der Lohn für den Mut, sich an dieser improvisierten Top-Rope Installation in die Ungewissheit abseilen zu lassen. When a Dream comes true.

Der Quergang sieht aus der richtigen Perspektive sensationell aus. Was der Blick von oben nicht zeigen kann sind diese wunderbaren gut griffigen Felsen und die wunderbare Ambiance.

Dienstag, 24. Oktober 2017: Rocca de l'Aia

Alle guten Dinge sind drei. Zum dritten Mal fahren wir an den Rocca de l'Aia. Wir wissen nun, wo der Fels steht und wie er zu finden ist. Es ist klar, dass wir am Dienstag endlich die Route werden klettern können. Wir kommen auf dem Parkplatz an und wenige Autos sind bereits parkiert. In 35 Minuten marschieren wir an den Fels. Was treffen wir dort an? Eine Gruppe Teenager aus der Schweiz. Sie johlen und schreien und haben keinerlei Respekt gegenüber anderen Menschen, Tieren und Pflanzen. Oh je, unsere Nerven werden arg strapaziert. Schnell binden wir uns ins Seil und klettern die erste Seillänge. Der Lärm wird lauter und am Standplatz angekommen müssen wir realisieren, dass wir für die zweite Seillänge sicher 1 Stunde warten müssen. Kurzentschlossen seilen wir ab und kehren zum Auto zurück. Endlich Ruhe! Wir fahren an die Placca del' Artista und treffen eine Horde Teenies aus der Schweiz, welche schreien und herumtoben. Vom Regen in die Traufe, die Nerven liegen blank. Oh Jesses. Nach etwa 1 Stunde gehen die Teenies und wir haben das Klettergebiet für uns alleine. Wir klettern noch 5 Routen, alle über 30 Meter und der Spass kehrt langsam zurück. Doch der schale Geschmack von "Schweizer im Ausland" will nicht verblassen und die beiden unheimlichen Begegnungen der Dritten Art hinterlassen bleibende Spuren.

Mittwoch, 25. Oktober

Der Plan ist, vor der Heimfahrt im Sektor "Gorilla" noch die eine oder andere Route zu klettern um anschliessend mit einem positiven Erlebnis nach Hause zu fahren. "Gorilla" ist ein Gebiet kurz vor der Autobahn-Auffahrt mit schönen und langen Routen, ein wirklich schönes und lohnendes Kletterjuwel. Wir steigen aus dem Autos, hören Gezeter und Mordio und steigen sofort wieder ein. Die Heimfahrt geht gut über die Bühne und um 18 Uhr bin schon zu Hause.

Résumé:

Alles ist gut und das Leben so wunderschön
Es war etwas viel Aufwand für den Ertrag. Doch so darf man beim Klettern nicht rechnen! Diese wenigen Tage Klettern haben mir sehr viel gebracht: Freude, Glück und Zufriedenheit. Und es hat auch ein Projekt gebracht. Der 400 Meter Quergang reizt mich ungemein. Maximal 6a+. Und dann habe ich diese Platte gesehen: Dancing Dalle, 7a. Allein der Ort - fantastisch. Dafür würde ich auch gerne wieder richtig hart trainieren. 7a? Liegt aktuell etwas gar weit ausserhalb meiner Reichweite! Doch ich weiss den besten Motivator an meiner Seite. 7a kletterte ich das letzte Mal am 3.Oktober 2009. Ist schon etwas lange her. Bekomme ich 7a nochmals hin? Eine spannende Frage, die ich im 2018 beantworten möchte.

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