Goldener Herbst in Soyhières

von Chris

Soyhières ist für mich eines der schönsten Klettergebiete im Jura. Die Atmosphäre, die Art der Kletterei und die Felsstruktur erinnert mich an Südfrankreich. Etwa an die Felsen, wie in der Umgebung zwischen Grenoble und Gap. Darum fühlt sich für mich ein Tag dort immer wie Ferien an...

Es war ein unglaublicher Herbst mit einer in diesem Gebiet noch nie dagewesenen Ticklist: Von links nach rechts: ‘L’enfer 8b‘ durch Andy Winterleitner aus Biel, Andy aus Freiburg sowie Thomas Schmid, der auch ‘Jusqu’au bout du monde 8b+/c‘ zog; natürlich DER Klassiker ‘Mines de rien 8b+‘ wiederum durch Thomas, unterstützt von Lukas Bire, Kevin Hemund und Andy, welcher eine Lösung für Kletterer unter 1,64 m fand; ‘Déjà 8b+‘ erneut durch Thomas und Lukas, Andy und mir; unzählige Begehungen von ‘Public Domain 7c/c+‘ - unmöglich alle aufzulisten; ‘Atlantis 8a‘ zumindest von Olivier Kornacker und das von mir befreite Projekt rechts von 'Atlantis', das jetzt ‘Barberalla' heisst und gut 8b sein dürfte.

Retrospektiv habe ich noch zwei Erlebnisse aus dieser Zeit parat. Für 'Déjà', deren Begehung mir viel bedeutet, schrieb ich: "Die Herbstfarben, der seit Wochen völlig trockene Fels. Auch heute war wieder ein spezieller Tag. Wundersam sonnig, schon fast richtig heiss. T-Shirt Party-Time! Und das im November…

Und es gab wieder viel zum Lachen mit Olivier. Er versucht sich an ‘Barbarella‘ und ist begeistert. Christoph kam später nach und staunte einmal mehr über ‘Mines de rien‘. Ganz unerwartet unter der Woche erwiesen auch die beiden Rotschopfe Martin und Ole dem Fels ihre Referenz. Für mich war’s zuerst zu warm auf den Slopern. Wie zum Beweis setzte ich vier Versuche gleich im Quergang in den Sand. Einmal kam ich in die Crux am Seitsloper in Mitte der Tour, wo ich natürlich sang- und klanglos abtauchte, nachdem ich meine Finger über die Felsoberfläche quietschen hörte.

Eigentlich war es gegen 17 Uhr bereits recht spät und ziemlich dunkel, als ich schon fast am Zusammenpacken war und mich dann doch noch für einen Go entschied. Es war wieder kühl geworden und diesmal lief es traumwandlerisch… Nicht mal mit gepumpten Armen. Hätte ich nie gedacht. Musste doch erst 41 Jahre alt werden, um das zu erleben… Ein weiteres Kapitel hat sich für mich geschlossen und ich bin glücklich. Der gute Barolo, den ich mir zur Feier daheim gönnte, war köstlich… (im Grunde genommen war ich nach den Anstrengungen des Tages sofort besoffen...)"

Andy in 'Mines de rien 8b+'

Ein spezieller Moment war auch die Zeit in 'Barbarella'. Zum Durchstieg habe ich das Folgende festgehalten: "Aber ich habe die Chance nützen können. Wie tief das geht. Zuerst noch die Geduld strapaziert, als ich am Samstag im vorletzten Zug fiel. Aber ich konnte es akzeptieren, zumal ich realisierte, dass das Problem im Durchstieg bis zum allerletzten Zug liegt. So wird die Kletterei noch richtig spannend. Sie ist unglaublich in der Linie, in sich geschlossen, also wie aus einem Guss. Kein Murks und grosszügig in den Bewegungen. Und das Resistance-Problem endet tatsächlich erst am Ausstiegshenkel.

Dann der Durchstieg, als sich meine Wahrnehmung wie ausserhalb von mir bewegte, weil ich so müde vom frühen Aufstehen und der Arbeit am Morgen war. Ich fühlte, wie mir der Schlaf fehlte. Der Erfahrung nach hätte heute unter solchen Voraussetzungen am Fels eigentlich gar nichts gehen dürfen, zumal ich mich schon im Zustieg zur Wand wie ein schlaffer Sack fühlte... Den ersten Versuch hatte ich ohne jegliche Körperspannung ganz miserabel in den Sand gesetzt. Es war also aussichtslos...

Als ich dann aber zum zweiten Mal einstieg, erinnere ich mich an die spezielle, gar schon seltsame Klarheit und Stimmung. Vielleicht war es auch von Vorteil ohne jegliche Erwartung zu sein. Ich hatte nichts zu verlieren, also kletterte ich einfach... Denn ohne die sonst üblichen Schreie für die Selbstmotivation und dem Gefühl der immer präsenten, grässlichen Anstrengung kam ich über die drei Sloper. Jene Stelle, an der ich so oft der Schwerkraft erlag. Leer die Arme zwar, aber einfach weiter, weiter. Vorletzter Zug. Es ging diesmal. So weit gekommen! Dann urplötzlich das innere Aufwachen. Ganz deutlich wieder im Körper darin. Eine Schrecksekunde. Es geht nicht mehr im letzten Zug...! Rückzug in die innerste Mitte. Leere Unterarme, kein Vermögen mehr mich aufzurichten. Kurz die rechte Hand gelöst, die Finger in der Hoffnung einer kurzen Erholung gestreckt. Der Körper schwer wie Stein. Aber die Sinne doch wach, konzentriert auf die noch letzte Schwierigkeit. Das kurze Aufbäumen, die Erfahrung der letzten 28 Jahre Klettern gesammelt. Ganz ruhig atmen. Rechts wieder den Sloper fixiert und links mit Hilfe noch nie getesteter Zwischengriffe weiter… erst einen, dann den zweiten, noch einen dritten. Dann der Ausstiegsgriff, mit Mühe den Umlenker geklippt. Müde, Entspannung, Ruhe... und alles in einer deutlichen Klarheit. Ein Traum ist realisiert... liegt schon hinter mir... ist schon längst Vergangenheit..."

Und weil es einmal dringend nötig ist, gleich im nächsten Post das aktuellste und wohl einzige exakte Topo der imposanten, zentralen Wand.

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