Totentanz der Fingerspitzen

von Chris

22 Jahre spielte ich mit der Route so etwas wie Katz und Maus. Jahrzehntelang zog den Kürzeren aber immer ich. Seinerzeit im zarten Alter von zwanzig Jahren war ich hoffnungslos überfordert mit der Art der Kletterei und holte mir an den Microleisten auch prompt meine erste Fingergelenksverletzung. So war mein Selbstvertrauen für den 'Totentanz' schon einmal angekratzt. Alle Jubeljahre hängte ich mir ein Toprope ein und musste dabei immer wieder feststellen, dass ich und die Kletterei einfach nicht zusammen passen. Mein Verhältnis zur Route wurde besonders getrübt durch die tiefen Cuts im ersten Fingerglied, die ich mir fast jedes Mal zuzog. Ein 'Totentanz' für die Fingerspitzen... Der Name ist Programm.

So vergingen die Achtziger Jahre, zogen die Neunziger vorbei und das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausend ins Land. Oft bin ich an der Wand des Rechenschiebers vorbeigelaufen und versuchte dabei die Route zu ignorieren. Dann aber doch immer wieder ein kurzer Blick darauf - jedoch mehr ehrfürchtig als begierig. Es war abzusehen, dass ich einmal meine Beziehung zu den Microleisten regeln musste. Letzten Mittwoch schlug Markus vor, wir könnten doch ins Pelzli gehen... was mir Magengrimmen verursachte, war ich doch gerade von den schönen und griffigen spanischen Sintern heimgekehrt und gar nicht auf ein Gebiet eingestellt, dass doch überhaupt keine Griffe hat... Wir gingen dennoch. Markus Euphorie nach seinem durchstiegenen Projekt steckte mich zur Leichtsinnigkeit an. Folgerichtig stieg ich in den 'Totentanz' ein. Just for fun. Zuerst dachte ich noch, die alte Beziehungskrise setze sich weiter fort. Intuitiv fand ich aber endlich die richtigen Lösungen. Auch Kraft hilft. Ja, tatsächlich! Und das in einer nicht einmal senkrechten Platte…

Interessanterweise kann nämlich auch eine derart flache Kletterei ganz schön athletisch sein. Die in den letzten Jahren gewonnene Körperspannung aus den modernen und überhängenden Powerrouten und der Feinschliff an den Bouldern in Cresciano in Bezug auf den optimalen Formschluss an Microleisten im Verlauf des diesjährigen Januars waren dann ein Schlüssel dafür, um die komplizierten Bewegungen des 'Totentanz' nun verstehen zu können. Endlich konnte ich die Leiste in der Crux - ein stumpfer Messerrücken breit und recht scharf - durchziehen. Vor allem aber fand ich die entscheidenden Tritte. 22 Jahre war ich also auf dem Holzweg gewesen. Ist das nun schon die Altersweisheit, die hoffentlich einsetzt...? Zuerst schien mir die Tour noch immer die Zunge herausstrecken zu wollen und warf mich am Freitag bereits ganz oben über'm letzten Haken noch ab. Dafür war es heute Sonntag schon fast ein Genuss (wobei - am Ausstieg wurde ich plötzlich doch noch etwas nervös. Martina meinte, es habe nicht so gut ausgesehen…).

Für mich persönlich eine der wertvollsten Begehungen meiner "Karriere" als Kletterer. Schliesslich verbindet sich mit der Route eine über zwei Jahrzehnte währende Geschichte. Es hat etwas Gutes an sich, Altlasten abschliessen zu können. Und an Eric: Props, so eine Kletterei schon 1984 im Zeitalter von Bollerschuhwerk wie EB, Boreal Fire und Hanwag-Latschen abzuziehen. 7c+...? So manche 8a klettert sich wesentich leichter als diese boulderige Route... Beispiele gefällig? 'Atomstrom' eine technische 8a+ an den Farnerzähnen oder 'Monkey Face' an der Bettlerküche, auch offiziell eine 8a+, sind der Lacher gegenüber dem 'Totentanz'. Aber wer weiss, vielleicht sehe das ja nur ich so...

Hier ein kleines Video, das alle Tricks und Moves verrät und welches mit Hilfe von Markus, Martina, Juschi, Heike und Markus entstehen konnte.


Kommentare

martin hat gesagt…
very nice!!! muss glaubs auch mal wieder klettern gehen ;) aber was bitte hast du für ein kälte-empfinden, war doch sicher SUPER KALT - habt ihr eine felsheizung ;)
Chris hat gesagt…
Merci :) Nein, nein, im Basler Jura, dem besten Klettergebiet der Schweiz, ist es doch wie immer am schönsten und am wärmsten... ;)