Le Paradoxe - 40 m rocken...

von Chris

Es war lange ein insgeheim von mir gehegter Wunsch, die zentrale Partie im grossen Überhang am Oberbergpass einmal näher anzuschauen. Aber zu gross war der Respekt davor - war doch bis 2007 die 'Torture Physique 8c' die einzige eingerichtete Linie. Dann kamen die 'Psychose', als 8c noch so ein vom eigenen Können Äonen weit entferntes, unerreichbares Monster, sowie die 'Paradoxe', mit 40 m ebenfalls ein ewig langes Epos, aber als 8b mit ein bisschen Land in Sicht. Super die Linie, zieht sie über einen feinen grauen Streifen im unteren Teil weiter in ein Meer von dunkelgrauem Superfels entlang einer Verschneidung und schliesslich über die Abbruchkante des Überhangs hinauf zu einem No Hand als Stand. Edel, edel...

Uli checkt 'Paradoxe 8b'. It's a long way to the top... Rechts bouldert ein junger, starker Herr 'Bitman 8a' aus.

Es war mir nicht ganz klar, ob ich wirklich die Route bearbeiten wollte. Ich weiss von mir, dass wenn mich eine Kletterei fasziniert, ich auch 'dran' bleiben möchte. Leider bin ich aber auch kein Kletterheld und bin mir bewusst, dass so eine Route Zeit braucht. Und Basel liegt ja auch nicht gerade um's Eck und einfach so ist man an den Gastlosen auch nicht an den Fels gelaufen. Oft brauche ich mindestens drei Tage, um mich in eine solche 'grosse Nummer' einzuleben. Erst dann weiss ich wirklich, ob es sich für mich auch lohnt, nicht uferlos weiter zu versuchen. Ein bisschen schwierig ist das schon auszuhalten, diese Ungewissheit, ob das Wetter über eine gewisse Periode hält, die Bedingungen gut bleiben, immer Zeit für die Hin- und Herreise da ist und ja, das aller-allerwichtigste... ob jemand da ist, der/die auch Lust auf die Gastlosen hat!

Die ersten zwei Tage sahen dann klettermässig - wie bei mir in solchen Hämmern üblich - gar nicht so gut aus. Ich fühlte mich in den weiten Zügen und dem Gehechte an den runden Löchern erst einmal gnadenlos überfordert. Oben wusste ich nicht einmal, wie ich einen wichtigen Bolt klippen sollte. Lange war ich den Zügen auch auf der falschen Spur. Insbesondere ganz zum Schluss kommt der grosse Abwerfer an einem seichten Dreifingerschlitz für die linke Hand, den ich zuerst und zu lange viel zu schwer ausboulderte. So ruhte ich mich also die ersten drei Tage nur je von Bolt zu Bolt und fragte mich, woher man um Himmels Willen die für den 'Tick' nötige Ausdauer bekommt. Bereits im dritten Go an jedem dieser Tage konnte ich mich kaum mehr fortbewegen, so müde waren die Arme und die Körperspannung... Arme sichernde Martina, dauert doch so ein 40 m rumgebouldere schnell mal 45 Minuten und anfänglich gar eine Stunde.... Als Schöngeist und ewiger Träumer verliess ich mich auf die Hoffnung, die Ausdauer könne und möge doch von irgendwo 'oben' auf mich herabfallen...

Das Seltsame war: Es war und kam genau so... Unvorangekündigt. Am vierten Tag mit Christoph war der erste Go wie schon bekannt, will heissen mal hier und da mit dem obligaten Ruhen am Bolt und steinharten Armen. Der zweite Go war dann der 'Breakthrough': Zu meiner Begeisterung flog ich erst am ominösen letzten schweren Zug ab und war nicht einmal besonders gepumpt. Wow, wie war eine so unerwartete Steigerung möglich? Das ist doch einfach das Spannende am Klettern: Den Prozess zu erleben und Erfahrungen zu machen, die nicht bereits geplant und erwartet wurden. Sich selbst zu überraschen und buchstäblich mit den Händen am Fels zu begreifen, dass das 'scheinbar Unmögliche' nur eine persönliche Definition und kein Axiom ist, welche mit dem richtigen Fokus zur richtigen Zeit durchbrochen werden kann. Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber für mich führen gewonnene Erfahrungen und tolle Erlebnisse direkt in die uneingeschränkte Lust und Freude am Leben...

Pirmin Bertle checkt die bisher ungelöste erste Verlängerung von 'Torture Physique', ein potenzieller 8c+-Challenge. Links die Crux der eigentlichen 'Torture...', rechts im Boulder der Verlängerung.

Am sechsten Tag dann (auf über drei Wochen verteilt) und grosszügig mit viel Liebe und Zuversicht von Tina gesichert, konnte ich meinen Traum von unten bis oben ohne Filmriss durcherleben, nachdem am vorigen Tag die Löcher von den Regenfällen der Tage zuvor noch ziemlich feucht waren und ich nebenbei dazu 'gezwungen' wurde, dem letzten schweren Abwerfzug noch meine persönliche Ideallösung abzuringen...

Sandro in 'Ganja 8a+'. Was für ein Ambiente...

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