Kurt

von Chris

Eigentlich faulenze ich gerade bei bestem Wetter auf Mallorca, geniesse die Sonne und freue mich auf den nächsten Klettertag an unglaublichen Sintern in bestem Fels. Also viel zu beschäftigt um einen Blog zu schreiben...
Doch dann die Nachricht an diesem schönen Herbsttag. Kurt, die Legende geht dahin...

Warum mich das berührt, ist leicht erklärt und deckt sich mit den Worten von Markus. Es ist eigentlich dem Einfluss von Kurt Albert und Wolfgang Güllich zu verdanken, dass ich zum Freiklettern und in direkter Folge zu einen Lebensstil gefunden habe, der mich nun fast drei Jahrzehnte begleitet und dabei mit unvergleichlichen Erlebnissen sowie Freude am Leben erfüllt. Wollte ich doch ursprünglich ein heroischer Bergsteiger und Eiger Nordwand-Bezwinger werden, prägte sich mir eines Tages im Sommer 1982 in einem Sportladen das Titelbild der ersten Ausgabe des legendären Magazins "Boulder" unauslöschlich ins Gedächtnis. Da hing ein ein Typ mit unordentlichen Haaren und unmöglich kurzen roten Shorts in nicht nachvollziehbarer Verrenkung in einer aalglatten Wand. So schien es mir zumindest. Dann hatte der auch noch weisse Hände und einen Beutel vor (!) sich umgehängt, was mir nicht sehr sinnvoll erschien... Dieses ikonische Bild von Kurt Albert im "Sautanz" (9- Klettergeschichts-Klassiker im Frankenjura...) brachte mich zum ersten Mal mit der radikalen Idee des Freikletterns und dem modernen Sportklettern in Berührung.

Die drei Ausgaben von "Boulder" änderten meine ganze Einstellung zur Bergsteigerei und führten mich hin zu einem Kletterstil, der zu dieser Zeit in manchen Klettergebieten von der alteingesessenen Elite noch als "provokant und unnötig" abgetan wurde. Das passte mir als 14/15-jährigen mit aufkeimender Pubertäts-Revoluzzerphase natürlich bestens. Schnell lernte ich Denken eines Reinhard Karl aus "Zeit zum Atmen", Revolte eines Hans Diefenbach aus "Boulder" und begriff die Bedeutung der leuchtenden Avantgarde von John Bachar, Wolfgang Güllich und... Kurt Albert. Nun sind von diesen fünf schon vier nicht mehr am Leben...

Kurt. Sein roter Punkt galt nicht nur als offensichtlich gemachter Ausdruck einer sportlichen Leistung, sondern buchstäblich auch als Punkt hinter eine Ära des heroischen, tradierten Alpinismus, wie er Anfang der siebziger Jahre in Europa noch gepflegt wurde. Er galt wie eine Befreiung und Zeichen einer Neuausrichtung. Nun ja, wie die (Kletter-)Geschichte lehrt, war von dem philsophischen Hintergedanken bald nicht mehr viel übrig und "Rotpunkt" war lediglich zum Begriff eines Begehungsstils geworden.

1987 hatte ich dann die Gelegenheit meine beiden Idole Kurt und Wolfgang persönlich zu treffen. An Ostern jenes Jahres traf sich scheinbar die gesamte Sportkletterwelt auf dem Campingplatz "Les Cedres" in Apt zu einer Art Mini-Woodstook im Zentrum der damaligen Elite: Buoux. Jung und dumm war ich, als ich einen Abend lang mit Wolfgang Güllich in der als "Grünen Schlauch" bezeichneten Bar an einem Tisch sitzen durfte. Ich war so voller Ehrfurcht ihm gegenüber, dass ich kein einziges Wort herausbrachte. So beschränkten wir uns auf gegenseitig freundliches Zulächeln und ich lauschte andächtig der Diskussion über die schönsten Klettergebiete der Welt und sein aktuelles Projekt "Diagonal du fou", damals noch 8a+ bewertet, während ich "wertloser Wurm" doch gerade an meiner ersten 7b+ bastelte...

Ganz anders bei Kurt. Als ich bereits in der Voroster-Zeit auf "Les Cedres" ankam und mein Zelt aufbaute, sass nebenan und allein an einem Campingtisch ein freundlich dreinschauender Herr mit Schnauz, der mir andeutete, ich könne mein Abendessen ruhig an seinem Tisch und nicht allein auf dem Boden einnehmen. Es kamen noch ein paar andere dazu und es entstand eine - wie in solchen Runden gerne üblich - angeregte Diskussion. Und bald schon dämmerte es mir, dass es sich um Kurt Albert handeln musste und noch etwas Anderes: nämlich die menschliche Wärme und Zugänglichkeit. Nicht die Unnahbarkeit der anderen Spitzenkletterer - wie ich in den folgenden Wochen und Jahren noch kennenlernen sollte - war bei ihm auszumachen. Diese freundliche und offene Art beeindruckte mich sehr und war wohl auch sein charakterlicher Ausdruck. Die gleiche Freundlich- und Zugänglichkeit fand ich dann auch 2007 beim letzten zufälligen Zusammentreffen in einem Restaurant im Frankenjura vor. Ein paar Worte, kennst du den noch, weisst du was der heute macht? Leuchtende Augen und Begeisterung schwangen in den Schilderungen seiner heutigen Tour durch das Frankenjura mit, mit schwärmerischen Worten empfahl er uns eine tolle 6+. Die hatte er bestimmt schon hundert Mal geklettert, von Langeweile war da aber nichts zu spüren. Kurt genoss das Leben, das war offensichtlich. Leider ist es nun früh für ihn zu Ende gegangen.

Kurt und Wolfgang, danke für die Inspiration!

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