von Markus
Es hat schon etwas mit Älter werden zu tun. „Im Alter“ werden
Erinnerungen an Pläne und Umstände wieder wach, die man doch mal machen wollte
und die dann doch irgendwie in der Schatztruhe des Vergessens gelandet sind, so
auch in diesem Fall. Man erinnert sich aber auch an Umstände, die dann doch
lieber in dieser Schatzkiste geblieben wären. Hier ein kleiner Aufsatz zu
meinem Trip nach Fontainebleau im November 2011.
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Jura-Dino in Action |
Ich muss schon verdelli weit in die Vergangenheit
zurückgehen um den Anfang der Story zu finden, zurück ins Jahr 1979. In diesem
Jahr, ich hatte gerade meine KV-Lehre abgeschlossen, hörten Roland, Olivier,
Peter und ich von einem sagenhaften Klettergebiet in der Nähe von Paris. Da ich
bis heute der französischen Sprache kaum mächtig bin, ist für mich Frankreich
bis heute ein „Terra incognita“. Schlimmer ist, dass ich die wenigen Fetzen des
Französischen, die ich dann doch mit Hängen und Würgen irgendwie in meinen
Schädel gebracht habe vor einiger Zeit selbstlos anderem Wissen geopfert habe.
Es ist schon so: der Speicherplatz im Hirn ist begrenzt und so musste ich
mich entschliessen entweder den Computer verstehen zu lernen oder Französisch
zu sprechen. Ich habe mich fürs Erstere entschieden. Es soll aber Leute geben,
die tatsächlich beides beherrschen. Für mich ist dies schlicht unfassbar und
fantastisch!
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Das gibt Anlass zur Bewegungsanalyse |
Roland hat von Bolle Tenger, der einen Sprachaufenthalt in
Paris durchlebte, weitere Informationen erhalten. Bolle erklärte, dass dort
ohne Seil und Haken geklettert werde und die Spinner tatsächlich mit Bürsten
den Fels reinigen um an ihm anschliessend hochklettern zu können. Sogar Zahnbürstli
seien im Einsatz! Als Basler Jura-Kletterer konnten wir über derartige
Informationen lediglich den Kopf schütteln. Das soll Klettern sein? Baah! Die
haben doch überhaupt keine Ahnung. Für uns alle war klar, dass wir nie nach
Fontainebleau gehen müssen, denn ohne Seil und Haken und dann noch mit Bürsten
bewaffnet – das entspricht nicht uns. Das Thema war erledigt.
1980 hatte ich das etwas seltsame Vergnügen, 17 Wochen im
Dienste der Eidgenossenschaft zu stehen. Just in der Zeit gingen Peter und
Roland – entgegen unserer Abmachung – doch nach Paris, nach Fontainebleau, zu
den Bürsten. Sie erzählten mir anschliessend mit glühenden Augen von den
fantastischen Möglichkeiten in Bleau. Alle Informationen von Bolle Tenger
wurden bestätigt. Es war sofort klar, dass wir zusammen nach Bleau fahren und
sie mir die Gegend und die schönsten Boulder zeigen werden. Einzig der Termin
stand noch nicht fest. 1981 ging leider nicht, da entweder meine Freunde oder
ich im Militär engagiert waren. 1982 sollte unser Jahr werden. Natürlich,
Markus, natürlich gehen wir alle zusammen nach Bleau, so hiess es immer wieder.
1982 ging durch das Land und trotz Drängen meinerseits geschah nichts. Ab
spätestens 1983 waren wir alle intensiv
mit der Liebe beschäftigt und hatten nur noch Zeit für die schönen Augen
unserer Freundinnen und kaum für gemeinsame Unternehmungen am Fels. Und so kam
es, wie es kommen musste. Die Wege trennten sich und jeder lebt seither sein
eigenes Leben. Roland und Peter klettern seit vielen Jahren nicht mehr. Olivier
zieht mit seinen Jungs tief im Welschland um die Felsen. Allerdings - zusammen
werden wir Bleau nicht mehr sehen. Für mich blieb aber „Fontainebleau“ ein
offenes Projekt, welches es zu Ende zu führen galt.
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Der Move war schon bretthart - zumindest für mich |
Als ich im Jahr 2000 wieder mit dem Klettern begann, hörte
ich sofort wieder von Fontainebleau. Alle meine Kletterfreunde sagten mir, dass
ich unbedingt nach Bleau gehen solle. Das sei so fantastisch. Ich traute dem
Gerede nicht. Bürsten? Ohne Haken? Kein Seil? Bouldern? Oh Mann, das ist alles
nicht meine Welt, redete ich mir ein. Das B2 öffnete in Pratteln seine Pforten
und huldigt seine ganze Daseinsberechtigung dem Bouldern. Zugegeben, ich hatte
schon meine Bedenken, was denn Bouldern im B2 so sein könnte. Trotzdem trieb
mich die Neugier dorthin und ich war vollkommen überrascht. Ich kam zwar kaum
einen Boulder hoch und daran hat sich bis heute kaum etwas verändert. Aber die
Möglichkeiten des Boulderns haben mich sofort überzeugt. Und immer wieder hörte
ich von Fontainebleau. Es dauerte nochmals viele Jahre bis dann alle
Puzzleteile zusammenpassten. Was schon bei der Septumania galt, galt auch in diesem
Fall: Träume sind da um umgesetzt zu werden!
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Einen Boulder habe ich dann doch geschafft! |
Bereits im Spät-Sommer fragte mich Heike, ob ich denn
Interesse an Bleau hätte. Das war der Satz, der paralysierte und plötzlich
musste ich mich unzähligen Fragen stellen. Ich und Bleau? Geht das gut? Ich und
Frankreich? Ich kann doch weder bouldern, noch französisch sprechen noch sonst
irgendwas. Die Bewertung der Boulder? Gibt es denn überhaupt irgendwas in
meiner sehr tiefen Leistungsklasse? Wird es einzig ein intensives Zuschauen
werden? Wird nicht alles in einem grossen Desaster enden? Wie wird die
Unterkunft sein? Fragen über Fragen und wie immer keine Antworten.
Doch zunächst stand die Reise nach Tibet auf dem Kalender
und ich wusste wirklich nicht, ob ich 4
Wochen nach der Rückkehr vom Dach der Welt bereits wieder soweit hergestellt
sein werde, dass ich nach Fontainebleau gehen kann. Aber ich wollte endlich die
quälenden Fragen beantwortet wissen, sagte provisorisch zu und hoffte einfach,
dass alles gut verlaufe.
In Tibet ging alles gut und so geht es am Samstag, 12.
November in aller Herrgottsfrühe los Richtung Bleau. Der
Nebel liegt dicht auf der Strasse. Wir kommen trotzdem sehr gut voran.
Das Auto sei noch selten so schnell gefahren, höre ich sagen. Nach knapp 5
Stunden Fahrt sind wir bei Andrew, unserem Kletterkumpel aus den Tagen, als er
noch in Deutschland lebte. Er hat sich seinen Traum erfüllt und sich eine
Gite gekauft, welche er nun Boulderern zur Verfügung stellt (hier der Link
zu „TheHouse“). Uns zieht es magisch an den Fels und wenige Minuten später schultern
wir unsere Bouldermatten. Es ist schon ein etwas komisches Gefühl, statt einem
Rucksack plötzlich so ein Ungetüm von Matte auf dem Rücken durch die Gegend zu
tragen. Es kommen für mich nun der Moment der Wahrheit und die Antworten auf
alle meine Fragen. Was ich dann erlebe ist mit Worten kaum zu fassen. Ich
verzichte jetzt einfach darauf, Bleau zu beschreiben, denn es ist unbeschreiblich
schön und ich verbrachte mit meinen Freunden Heike, Jüschi und Urs wunderbare
Stunden beim Bouldern unter einem wolkenlosen Himmel bei strahlend schönem Sonnenschein.
Von der ersten Sekunde an fühlte ich mich sehr wohl und alle meine Fragen waren
binnen kürzester Zeit positiv beantwortet. Deshalb ein Tipp von mir: wartet
nicht so wie ich rund 30 Jahre, sondern setzt eure Träume so rasch als möglich um!
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Essen und Ausruhen muss auch mal sein! |
Kurz vor der Abreise nach Fontainebleau erhielt ich noch eine
E-Mail von Chris worin er einen wunderschönen Satz schreibt: „Pass bloss auf,
Fontainebleau kann süchtig machen“. Ich habe nicht aufgepasst.
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Marie-Rose - Wenn Bilder tausend Worte sagen... |
Und noch etwas. Da stehen Urs und ich am letzten Tag unserer Reise
mitten im Wald vor einem spektakulär aussehenden Boulder und ein Bleausard
tigert im Jogging-Anzug zu uns. Nach der obligaten Frage nach der Herkunft
beginnt der Bleausard aus dem Nähkästchen und über Gott und die Welt zu plaudern. Und jetzt kommts – ich habe
alles verstanden! Ok, antworten konnte ich nur mit „Oui, oui“ oder „Non, non“. So
restlos alles scheint dann doch nicht alles verloren gegangen zu sein.
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