von Markus
Nein! In diese Route steige ich nicht mehr ein. Nein!
Definitiv nein! Ich komme ja nicht mal über den 2. Bolt. So eine Katastrophe!
Mein Ärger und mein Frust sind grenzenlos! Wir schreiben das Jahr 2011.
Knapp 100 Kilo Lebendgewicht... |
Hinter mir liegt ein weiteres Falken-Fiasko der Extraklasse!
Oh Mann, weshalb denn nur? Ich ärgere mich einmal mehr über meine Unfähigkeit
und gebe, typisch, dem Fels die Schuld an der ganzen Misere. Einer muss ja
schliesslich schuld sein und der Fels kann sich nicht wehren. Oder wehrt er
sich eben doch? Nie hat es richtig gute Griffe, die auch ich halten kann.
Tritte? Fehlanzeige. Dabei sollte in einer 6b+ doch noch irgendwas vorhanden
sein, dass auch ich noch irgendwie verarbeiten kann. Weshalb nur klettere ich
so elend schlecht in der Falken. Ich kann mich aber trösten. Noch schlechter
klettere ich in der Tüfleten. Es ist fast wie ein Fluch. Die Höchstleistung in
der Falkenfluh liegt bei der Route „Von einer die auszog, das Fürchten zu
lernen, 6c“. Diese Route habe ich 2004 nach einem harten Dominik-Egloff-Training
geklettert. Seither habe ich kaum mehr was richtig gebacken bekommen. Es ist
immer die gleiche Story: Mein Dinosaurier-Gewicht drückt unendlich auf die kleinen
(Reibungs-) Tritte . Der Fels ist relativ reibungsarm und hilft mir nicht sehr.
Auch der Trick mit dem Winterklettern hilft nicht wahnsinnig viel weiter. Die
Lösung gestaltet sich immer gleich: Kompensation des Körpergewichtes mit den
Armen um den Druck von den Füssen zu nehmen, da ich immer abzurutschen drohe. Da
in der Regel die Griffe nur gerade so gross sind, dass vielleicht mein erstes
Fingerglied drauf Platz hat, hänge ich bereits nach wenigen Metern mit
steinharten Unterarmen im ersten Block. Anschliessend gibt es die obligate „Blockparade“
bis zum Umlenker, falls ich denn überhaupt über die Schlüsselstelle komme. Ach,
ist das immer mühsam, auch für den Sichernden. Vielleicht sollte ich wirklich
mit dem Klettern aufhören und mir ein schweres Motorrad zutun. Männer ab 50
neigen zu diesem Verhalten.
Wenn der Jura-Dino tanzt, dann sieht es aus wie.... |
Und trotzdem ist die Falkenfluh ein wunderbarer Ort
mit all den Klassikern im Basler Jura, ein Hotspot. Auch landschaftlich ist der
Felsriegel etwas vom Besten in der näheren Umgebung von Basel. Dort nicht zu
klettern kann schon als Sakrileg eingestuft werden. Wenn es denn doch nur nicht
mit so viel seelischem Schmerz für mich verbunden wäre…
Vor der Schlüsselstelle |
Für das gemeinsame Klettern am 7. Juli 2012 werde
ich mit 3:1 für die Falken klar überstimmt. Bereits um 10:30 Uhr sind wir am
Fels. Meine 3 Freunde Roland, Marc und Jürgen haben klare Ideen, wie sie ihren
Klettertag bestreiten wollen. Ich? Ich gehe mal davon aus, dass man mir meinen
Frust etwas ansieht und mich untypisch ruhig verhalte. „Und was machst du,
Markus?“ fragt mich Jürgen.
Irgendwie plappere ich was von „6b an einem Tag in
der Falken wäre halt schon unheimlich toll“. Das ist eine Ansage, die Jürgen
sehr gefällt. Endlich macht der Jura-Dino etwas, was in Richtung „Leistung“
einzustufen ist. Die Wahl fällt auf „Meteor“. Ich bin schon zig-Mal unter dieser Route durchgelaufen und habe immer wieder nach oben geschaut
und mich gefragt, ob ich denn diese Route je klettern können werde. 2011 habe
ich mich schon einmal mit der Route beschäftigt und konnte sage und schreibe
sturzfrei im Top-Rope bis zum zweiten Bolt klettern. Das wars. Das Abenteuer
vom 30. Juni (Blog-Eintrag folgt) hat mich jedoch stark motiviert und ich fühle
mich seither frisch und ausgeruht. Auch das Wissen, dass der junge Jura-Dino
diese Route vor Jahren saniert hat gibt die Information, dass die Bolts
wohl genau am absolut besten Ort platziert sind und ich mich nicht vor Run-Outs
zu fürchten brauche.
Der 7.7. sollte wirklich gut werden. Jo klettert die
„Meteor“ als Aufwärmtour und schon baumeln meine Express und mein Seil in der Route. Ich steige
im Top-Rope ein und es endet fast in der gleichen Falken-Katastrophe wie immer.
Nur dieses Mal schaffe ich es mit Ach und Krach über den zweiten Bolt und
tatsächlich ohne ganz grosses Rumhängen bis zum Umlenker. Allerdings habe ich
keinen Plan für die Schlüsselstelle. Das
übliche „Ich-hasse-das-Klettern-an-der-Falken“-Getöse geht mit lautem Gebrüll in
mir los. Mein Hirn verkrampft sich vollkommen.
Marc erklärt mir seine Lösung für die
Schlüsselstelle und das hört sich alles so unheimlich einfach an. Weshalb
begreife ich denn das Falken-Klettern nicht. Vielleicht ist es meine
„Deformation professionelle“? Ist es mein Alter? Doch lieber ein Motorrad? Ich
weiss es nicht.
Ich steige ein zweites Mal mit der geistigen
Konditionierung, dass ja sowieso nichts geht und ich sowieso da nie hochkommen
werde in die Route ein. Einmal mehr wieder nur Sprüche geklopft, grosses Maul
gehabt und dann null Leistung, kein Biss, so denke ich für mich selbst. Was
denken wohl meine Freunde von mir? Ohne irgendwelche Ambitionen klettere ich
zum zweiten Bolt und komme mit etwas Basteln bis zum dritten. „He?“ frage ich
mich selber. Wie bist du jetzt da hochgekommen? Kein Brennen in den Unterarmen.
Ist etwa heute doch mein Tag? Ich klettere locker weiter. Im zweiten
Top-Rope-Durchgang kann ich fehlerfrei bis zur Schlüsselstelle klettern. Ich
frage mich selber, weshalb ich vorher so rumgemacht habe. Es hat überall Griffe
und Tritte. Die Schlüsselstelle analysiere ich exakt und baue Marc’s Lösung
ein. Ich finde einen sehr kleinen Griff für links und kann die Schlüsselstelle
extrem kraftsparend klettern. Ich bin völlig verdutzt. Dreimal probiere ich die
Kombination, es funktioniert dreimal problemlos.
Die Schlüsselstelle - Geht ganz einfach mit Ondra-Hilfe |
Nach einer langen Pause ziehe
ich das Seil ab, schaffe damit einmal mehr Tatsachen und binde mich ins Seil
ein. Motiviert steige ich in die Route ein. Alles läuft problemlos und ohne
Schwierigkeiten ab. An der Schlüsselstelle muss ich allerdings „auf Ondra“
machen.
Die letzten Klettermeter in "Meteor" |
Oder ist es einfach nur der Alte-Jura-Dino-Angstschrei vor einem 3
Zentimeter-Abflug? Höchstwahrscheinlich! Noch beim Ablassen frage ich mich,
weshalb ich mich beim ersten Durchgang so schwer getan habe, finde aber keine
Antwort. Ich hinterfrage nicht weiter und geniesse meinen ganz persönlichen
Erfolg über mich selber. Ich habe den Sprüchen endlich Taten folgen lassen und bin sehr
glücklich darüber. Einmal mehr zeigt sich bei mir ganz klar: Mind over Machine.
Ich zitiere hier gerne Wolfgang Güllich, der vor vielen Jahren sagte: „Beim
Klettern ist das Hirn der stärkste Muskel“.
Wie recht er doch hatte.
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