Back to the roots - 30 Jahre on the rocks

von Chris


Ein Kletterblog handelt natürlich vom Klettern.

Nur, vom Klettern kann ich zurzeit gar nichts berichten.

Ein Riss im Labrum meiner linken Schulter bedeutete für mich nicht nur physischen Schmerz, sondern seit einigen Monaten auch einen Riss durch meine Träume und Wünsche als Kletterer. Das Aus kam zu einem Zeitpunkt, während ich mich in bester Form und voller Tatendrang befand, gleichzeitig aber - und zu meinem eigenen Erschrecken - durch besondere Ansprüche im Arbeitsleben völlig aus der work/life-Balance gerissen wurde. Kaum ein Zufall, war doch der Riss in der Schuler nicht das einzige Problem. Der Körper lügt nicht – da mag etwas Wahres dran sein. Die Warnsignale hatten jedoch auch Folgen für die Leidenschaften; auf das, was ich mit Freude tue: Klettern. Aus die Maus! Den Künsten der Ärzte Christoph Wullschleger und Oli Frank und der Geduld meines Physios Benny zum Dank darf ich irgendwann wieder schmerzfrei klettern. Aber bis es wieder so weit ist, braucht es Geduld und nochmals Geduld. Auch wenn die Operation und die Physio für sich genommen ganz spannende Themen darstellen, überlasse ich das besser der Fachliteratur. Wer Genaueres wissen möchte, kann sich ja direkt an mich wenden.

1983 im Gfäll/Schwarzwald - die Vorstiegsangst sitzt tief
Immerhin darf ich seit der Operation doch behaupten, als Kletterer kompletter denn je zuvor geworden zu sein. So ich draussen am Fels hunderte Routen einbohrte, habe ich nun auch mit Fixankern ein eingebohrtes und mit Fixseilen präpariertes Innenleben. Welcher Kletterer kann schon von sich sagen, er sei eingebohrt? So also schlägt das Kismet zurück…

Mit dem zwar unfreiwilligen Abstand vom Klettern, aber der gleichzeitig gewonnenen Zeit für alle anderen Interessen, bleibt auch Raum für Erinnerungen. Die Zeit schafft Distanz. Vergangenes erscheint in einem anderen Licht. Manches das einst von Bedeutung war, ist heute unwichtig, es kann aber auch genau umgekehrt sein. Manche Erinnerungen mag ich lieber verdrängen, andere stehen einfach für sich, sind unvergleichlich, wunderbar, unersetzlich.

Auch so eine Erinnerung: Vor dreissig Jahren – 1982 – dachte ich zum ersten Mal daran, dass die Senkrechte einen eigenen Reiz haben könnte. Wie war das eigentlich, als ich mit dem Klettern begann? Weshalb eigentlich? Wozu? Es war jene Zeit ohne Kletterhallen und TV-Ad‘s mit Klettern als Werbeträger. Als Nichtkletterer kannte man so gut wie niemanden, der sich einem solchen Treiben hingab. Dafür gab es schlichtweg einfach zu wenige Mover. Bergwanderer – so was gab es schon. Allgemein galt Klettern als törichte, unnütze Art sein Leben aufs Spiel zu setzen. Damit beschäftigte man sich nicht. Man las es ja in der Zeitung, wenn wieder einer in der Eiger Nordwand erfroren war. Punkt. Fertig.

2012 an gleicher Stelle - etwas relaxter, dafür YJD
Vielleicht war es das, was mich reizte. Nicht, um mein Leben zu riskieren, im Gegenteil. Vielmehr, um durch das Klettern die Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich im Leben anbieten. Das kennenzulernen, wo sonst niemand hingeht. Genau das zu machen, was sonst keiner tut. Ich wollte mir eine eigene Welt erschliessen, fernab von Sachzwängen und der Show im Alltag. Der tägliche Wahn bestand damals für mich aus Schule. Das war auch rückblickend eine seltsame Zeit, aus der es nichts zu verklären gibt. Ausserdem galt ich in den Augen meiner Mitschüler als krank: Ich interessierte mich nämlich nicht für Fussball. Und musste ich da mal antreten, dann waren kühne Bogenlampen ins Nichts das Beste was ich hinbekam. Es interessierte mich auch nicht. Sport war doof und die Jungs auf dem Bolzplatz erst recht. So war ich folgerichtig im Schulsport stets der Letzte, der in ein Team gewählt wurde. Zum Glück, so musste ich mich nicht so einsetzen. Die Lehrer meinten, sie würden uns eine Freude machen, wenn sie uns recht oft dieses Balltreten spielen liessen. Ich glaube, die hatten einfach keinen Bock zu arbeiten. In meinem Zeugnis stand unter dem Fach Sport dann auch keine gute Note. Was war dann Klettern damals für mich? Letztendlich doch eine Flucht dorthin, wo mir keiner so schnell nachfolgen kann… Ehrlich gesagt: manchmal ist das auch heute noch so.

Komisch, dass ich mir dann doch etwas suchte, das ziemlich viel Körpereinsatz verlangt. Aber es gab einen riesigen Unterschied: Klettern galt damals nicht wirklich als Sport! Wie bitte? Ja, genau so war’s! Es wurde in jener Zeit in Bergsteiger-Magazinen noch heftig diskutiert, ob es Formen des Berggehens gibt, die sportlich seien. Sportklettern und Alpinstil waren Anfang der achtziger Jahre noch immer Randerscheinungen, wurden vielmehr sogar ignoriert. Auch in Kletterkreisen herrschte noch Konfusion, z.B. über Begehungsstile wie af., Jojoing, Amerikanisch. Begriffe, welche heutzutage völlig aus dem Kletter-Bewusstsein verschwunden sind, weil diese sich selbst überlebt haben. Und auch Klettercompetition waren reine Zukunftsmusik. Der einzige Wettkampf, der damals existierte, waren die Schnellklettermeisterschaften an Naturfels in der Sowjetunion. Also, wie war das nun? Wenn ich schon nicht klettern kann, dann schreibe ich eben so etwas wie eine Jubiläumsausgabe. Sie handelt allein von mir, aus meiner Sicht. Vorsicht, Leser! Es ist deine Zeit - bald folgt die erste Geschichte.

Kommentare

martin hat gesagt…
puahhh, chris, ja wenn man so motiviert ist im "alter".... dann kommsts (anscheinend) nicht nur gut... ich wünsche dir beste genesung!!! ich muss zuerst noch unters messer, aber wir können dann ja mal zusammen wassergymnastik machen... ;)
Anonym hat gesagt…
Hey Christian du alter Terminator. Auch ich klettere schon seit zwanzig Jahren mit einem geklebten Stiftzahn.Frag nicht nach dem Hersteller, es ist aber sicher kein Griwil oder Muniring!

Das gibt Biss in alpinen Routen:-)

Patrik
Chris hat gesagt…
Lieber Martin, Danke für die Wünsche :) Als Rocksaurier verschiebt sich eben der Fokus...
Wassergymnastik mit dir stelle ich mir allerdings heikel vor. Stell dir mal das Bild vor... Puuuhhh, hä? Da fürchte ich schon eine Strafverfolgung wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Unsere Zukunt liegt wohl mehr beim Fanbesuch von Synchronschwimm-Wettbewerben... Alles Gute dir!
Chris hat gesagt…
Hoi Patrik! Das ist super! Danke für die Inspiration mit Hilfsmitteln. Ich haber mir gleich Stützrädli für meine Schulter bestellt. Stell dir vor, wie schnell ich dann den Siebenschläfer im Handegg abfahren kann... ;) Bis bals mal wieder an hoffentlich echtem Fels!