Läged Windgällen - Zentralpfeiler


Von Markus

Der Zentralpfeiler im Morgenlicht

Der Wetterbericht sagt schönes Wetter für Samstag, 8. September 2012 voraus. Es stellt sich nur noch eine Frage: wohin? Eine Tour in den Alpen? Hintisberg? Bockmattli? Cheselenflue? Oder doch Basler Jura? Es gibt so viel zu tun und doch so wenig Zeit. Meine scheue Anfrage an Jürgen, ob wir zusammen etwas unternehmen wollen und vor allem was, wird prompt beantwortet und die Wahl fällt auf den "Zentralpfeiler, 6a" im Schächental. Schon viel habe ich vom Klausenpass gehört, aber ich war noch nie vor Ort und so konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, worauf ich mich denn da eingelassen habe. Nachdem es nun klar war, wohin die Reise gehen würde, wurde ich auf dem Internet aktiv und suchte nach Informationen über die Route. Da konnte ich dann lesen, dass die Standplätze etwas gar in die Jahre gekommen seien und die Zwischensicherungen eher knapp bemessen sind. Auch soll der Fels nicht über alle Zweifel erhaben sein. Bei einem Eintrag stand sogar, dass sie nach der dritten Seillänge die Nase von der schlechten Felsqualität und der schlechten Absicherungen voll gehabt und zum Rückzug geblasen hätten. Nun denn, so dachte ich mir, was ein richtiger Jura-Dinosaurier ist, den können doch solche Informationen nicht erschrecken. Und mit Jürgen als Seilpartner ist sowieso alles geritzt.

Wir treffen uns um 05:30 am vereinbarten Ort. Es ist noch dunkel, die Sterne glitzern am Himmel. Meinen 1er drängt es zum Klausenpass. Es ist so wie immer: in unserer Gegend ein wolkenloser Himmel und kaum haben wir den Belchentunnel verlassen, begrüsst uns dicker Nebel. Aber das ist kein Hinderungsgrund das Tempo zu reduzieren. Einmal mehr wird Luzern seinem Ruf als Monsterbaustelle gerecht. Mitten im Tunnel bleiben wir stehen und müssen uns anschliessend mühsam durch Luzern kämpfen. Da frage ich mich manchmal schon, ob es wirklich keine bessere Lösung gibt, als den gesamten Nord-Süd-Verkehr quer durch Luzern zu leiten. An diesem Baustellen-Gewürge können sich nur Traffic-Jam-Junkies ergötzen. Wir gehören nicht zu dieser speziellen Spezies.

Den 1er zieht es weiter zum Klausenpass und als er diese Kurven sieht, zieht es ihn einfach nur hoch. Ist das eine tolle Strecke zu fahren! Die Pferdchen wiehern vor lauter Freude! Und Jürgen wird es wohl schlecht… Tschuldigung… Nur der Temperaturanzeige geht es noch schlechter. Die zeigt 8 Grad an. Oha, so denke ich mir, im Winter eine Super-Temperatur aber heute scheint mir das doch etwas kühl zu sein. Ich habe nur einen Fleece-Pulli mit dabei und meinen immer umgeschnallten Biopren- (nicht zu verwechseln mit Neopren) Anzug im Wert von mehreren zehntausend Franken. Das muss reichen!

Und ewig lockt der Fels...
Wir tigern los, kommen gut voran und schon bald blitzt die oberste Stufe des Zentralpfeilers in der Sonne. Ganz langsam ahne ich, auf was ich mich da eingelassen habe. Das ist ja ein Riesending, dass wir heute klettern wollen. Ein Superriesending! Doch bevor wir Hand an den Fels legen können gilt es, diesen steilen Anstieg zu bewältigen. Wir kommen nicht mehr so schnell voran. Jürgen entdeckt ein Tier, dann noch eines und dann noch eines. Wir sind also nicht alleine hier oben. Offenbar wohnt eine Schafherde beim Einstieg und wir zwei müssen da durch. Schafe, he, das ist doch kein Problem. Schafe. Die haben ja nicht mal Hörner und Menschen essen sie auch nicht. So tigern wir weiter und dann - zack - aus dem Hinterhalt - grauenvoll - gefährlich - Zähne fletschend - sehen wir uns im Alpenklassiker "Angriff der Killerschafe". Sofort erkennen wir, dass die Herde und vor allem deren Chefin überhaupt nicht einverstanden damit sind, dass wir mitten durch ihr Revier laufen.


Das Blöken ist laut und es hört nicht mehr auf. Wir werden sogar angegriffen (wohl eher ein paar Meter begleitet). Offenbar ist schon seit längerer Zeit niemand mehr hier oben gewesen. Wäre ich jetzt ein Wolf und nicht ein Jurasaurier, ich wüsste was zu tun wäre... Lassen wir das Thema. 


Nach 1 3/4 h sind wir endlich beim Einstieg. Die Sonne wärmt wunderbar. Wir sind guten Mutes. Ready, Steady, Go! Beim Einstieg in die Route sehen wir blitzende Bohrhaken. Nicht viele, aber ein paar sind da schon in der Wand. Ich starte mit der ersten Seillänge. Vorsichtig belaste ich die Griffe und Tritte. Der Fels ist wirklich nicht über alle Zweifel erhaben. Aber es hat immer an der richtigen Stelle einen Bohrhaken. Ist die Route saniert worden? Ich mache mich am Standplatz auf Rostgurken gefasst. Aber da lacht mich ein wunderbarer Klebeanker an. Gleich nebenan in richtiger Distanz ist ein neuer und solider Bohrhaken platziert. Saniert! Die Route ist definitiv saniert. Sensationell! Die zweite Seillänge startet gleich mit einer 6a Stelle. Toll zu klettern und so viel Luft unter den Sohlen. Jürgen klettert ohne erkennbare Schwierigkeiten hoch. Ich will ihm es gleich tun, stosse aber an meine Limite. Die 6a Stelle ist dann nicht von schlechten Eltern und ich bin sehr froh, dass ich die Seillänge im Nachstieg klettern kann. Am Standplatz angekommen muss ich eine Entscheidung treffen. Klettere ich die nächste Seillänge im Vorstieg? Meine bereits müden Unterarme machen mir Kummer. Nach etwas Ringen mit mir selber ist es aber dann klar: Ich lasse Jürgen den Vortritt und richte mich auf einen tollen Klettertag als Seilzweiter ein. SL3, 5c - Idealerweise hält sich der Kletterer nicht mit beiden Händen am gleichen Block fest. Trotzdem eine fantastische Seillänge. SL4, 5c - Sensationell! Bester Fels, etwas vom Besten, dass ich je geklettert bin! SL5, 6a - Die Schlüsselsequenz verlangt herzhaftes Zupacken in leicht überhängendem Fels. Den rettenden grossen und guten Griff nimmt jeder Kletterer gerne an. 

Bester Fels - was will ich mehr?
SL 6, 5c – Wieder eine traumhafte Seillänge mit enorm viel Luft unter den Sohlen. Einfach super! SL 7, 3a – Wacklig und mit viel Wind um die Ohren geht’s über einen schmalen Grat zu kaum sichtbarem Stand. SL7, 4a - Schöne und kurze Seillänge. SL8, 6a – Jürgen nutzt die Möglichkeit des 70-Meter-Seils und verbindet SL7+8. Wenn Jürgen klettert, dann sieht alles ganz einfach aus. Ich sehe nicht, wo es irgendwie schwer sein könnte. Was ich allerdings sehe ist, dass es fantastische Moves in bestem Fels sind. Schon bald heisst es „Nachkommen“ und dann geht es auch für mich wieder los. Die 4a Stelle stellt kein Problem dar und schon stehe ich unter diesem kleinen Überhang, den es nun zu meistern gilt. Ich lege mir eine Bewegungsabfolge zurecht, motiviere mich und dann „Attacko“. Füsse links und rechts perfekt platziert, rechte Hand in einen super Untergriff, für die linke Hand ein guter Griff und jetzt die Kletterbewegung einleiten um mit links zum nächsten fast guten Griff zu gelangen. In der nächsten Zehntelsekunde knalle ich mit voller Wucht in den Überhang. An alles habe ich gedacht nur nicht daran, dass ich den Kopf etwas nach links hätte halten sollen. Aber ich lasse nicht los und etwas belämmert klettere ich weiter. In der Zwischenzeit merke ich die Anstrengung und so brauche ich doch 3 Performance-Blocks bis ich diese traumhafte Seillänge geklettert habe. SL9, 4c – Ein schönes Schmankerl zum Abschluss. Die Aussicht ist traumhaft, keine Wolke am Himmel. Wir sind glücklich und zufrieden.

Von weitem höre ich ein tiefes Brummen. Ist das wohl? Ist das wirklich wahr? Jawohl! Und schon kommt die gute alte Ju52 daher geflogen, etwa auf unserer Höhe. Auch das ist ein unvergesslicher Anblick.

Das Abseilen geht flott voran und schon bald stehen wir wieder beim Einstieg der Route. Eine weitere Stunde später sind wir wieder beim Auto und den 1er zieht es nun nach Hause.

Zuerst mühsam hoch, dann locker runter

Wir treffen kurz nach 20 Uhr in Pratteln ein. Die Sonne versinkt in einem glühenden Rot über Basel. Wir haben den Tag optimal genutzt. Wir sahen die Sonne aufgehen, wir sahen die Sonne untergehen. Dazwischen durften wir einen traumhaften und einen weiteren unvergesslichen Tag zusammen im Schächental verleben.

Herrlich. Was braucht es denn mehr um restlos glücklich zu sein? Eben…

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