Frankenjura: Ein Jura-Saurier auf Abwegen - Donnerstag

von Markus

Donnerstag, 12.9.2013

In der Nacht auf Donnerstag wache ich immer und immer wieder auf. Es weckt mich der niederprasselnde Regen. Hört denn das wirklich nicht mehr auf, so frage ich mich. Nun denn, es ist halt so, am Wetter können wir Menschen Gott sei Dank noch nicht viel ändern. Auf der anderen Seite - wir Menschen haben ja vielleicht schon viel daran geändert. Aber das ist ein anderes Thema.

Nach über neun Stunden Schlaf weckt mich heute Morgen erneut der Regen. Nun denn, ist halt so. Rasch unter die Dusche und ab an den Frühstückstisch. Jürgen hat seinen berühmten Büffel-Weck-Kaffee gebraut, der mich in die Gänge kommen lässt. Und was sehe ich denn da? Blauer Himmel? Sonne? Ist das ein Hirngespinst? Nein, es ist wahr. Wird heute endlich gutes Wetter zum Klettern sein? Jürgen trifft präzis wie das Uhrwerk einer mehreren zehntausend Franken teuren schweizer Edeluhr den Entscheid: Wolkensteiner Wand. Er meint, ich solle den "Oberförster Pudlich" klettern. Nun ja, ich kann mir darunter überhaupt nichts vorstellen, aber eine gute Tour in bestem Fels ist ja nie zu verachten. Bisher waren Jürgens Empfehlungen immer fantastische Touren in bestem Fels und so wird es wohl auch dieses Mal sein. Wir fahren an die Wolkensteiner Wand und einmal mehr klappt mir der Kiefer einfach runter. Eine fantastische, irrwitzige hohe Wand begrüsst uns. Jürgen hängt mir meine Express in die "Oberförster Pudlich". Einmal mehr merke ich einfach nicht, wo es in der Route denn schwer ist. Nach gefühlten 30 Sekunden steht Jürgen wieder neben mir mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Er meint, das sei eine schöne Aufgabe für mich. Ich bin natürlich gespannt und bereite mich für den ersten Top-Rope Durchgang vor. Die ersten Meter gehen gut, die weiteren auch, ich realisiere langsam, dass diese Route wirklich richtig super ist. An der Schlüsselstelle überfällt mich die blanke Angst und schon ist der Traum des Durchstieges ausgeträumt. Ich bekomme die vermaledeite Griff-/Trittkombination einfach nicht hin. Wie hat das Jürgen einfach nur so locker flockig gelöst? Ich verzweifle, mein Hirn verkrampft sich total. Ein Desaster kündigt sich an. Jürgen klettert nun in seinem Projekt "Wolkenschloss", eine ästhetisch kaum zu überbietende aber unheimlich schwere Route. Ich sichere ihn geduldig und mache mir Gedanken darüber, wie ich denn die Express wieder aus der Route bekomme. Nun gut, da das Seil von oben kommt, steige ich nochmals ein, nicht aber ohne ein neues paar meiner brettharten Kletterschuhe anzuziehen. Bis zur Schlüsselstelle geht alles gut, es ist ja auch nicht schwer. Doch dann kommt wieder diese verflixte Stelle. Irgendwie muss es doch gehen, sage ich zu mir. Irgendwie! Ich probiere dies, ich probiere das, nichts hilft. Dann greife ich eher lustlos ein weiteres Mal an diesen runden Griff und plötzlich realisiere ich, dass da ganz versteckt eine zusätzliche Mulde zu greifen ist. Sofort realisiere ich, dass ich mit dem Daumen diesen Griff voll auf Zange nehmen kann. Das ist die Lösung, die Angst ist weg, der Durchstieg wird gelingen.
 
Die ersten Meter im "Oberförster Pudlich
Wieder auf dem Boden bei Jürgen bin ich überglücklich, die für mich richtige Lösung gefunden zu haben und freue mich nach einer guten Pause den Durchstieg angehen zu können. Ich sichere Jürgen in seiner Tour und dann passiert es. Freunde treffen ein, nicht zu überhörende und übersehende Freunde. Aus dem ruhigen und beschaulichen Plätzchen wird innert Sekunden eine lärmige Innenstadt-Strasse. Und, wie es denn offenbar heutzutage üblich ist, wird einfach ohne zu fragen oder dergleichen überhaupt Anstalten zu treffen locker flockig durch "meine" von mir für mich präparierte Route geklettert. Die Freunde haben richtig Freude an meinen Express. Sie sind ja auch wirklich schöne Exemplare, wirklich! Solche kennen die in Spanien halt nicht! Als wenn das nicht schon einfach respektlos genug gewesen wäre, kommen weitere Freunde an den Fels und das gleiche Spiel geht von vorne los. Da wird einfach ohne zu fragen in meiner Route geklettert, mein Material verwendet. Ich würde ja nichts sagen bzw. schreiben, wenn das Leute gewesen wären, die ja nach der Meinung der Alten sowieso zu nichts taugen und nur frech sind. Nein, es waren Freunde im fortgeschrittenen Erwachsenenalter, also genau diejenige Generation, die doch immer auf den Jungen rumhauen. Erschreckend, schlimm! Es ist genau die Art von Leuten, die morgens ab 05:30 Uhr das Badetuch auf ihren Liegestuhl am Swimming-Pool legen. Oder - es kann natürlich sein, dass diese Freunde aus meiner Sicht gesehen vielleicht eben genau zu den nichts taugenden Jungen zu zählen sind. Aber das kann fast nicht sein, denn die hatten alle Falten im Gesicht, so wie ich. Aber meine Falten sind Lachfalten, garantiert! Höchstwahrscheinlich gehören diese Menschen, so habe ich sie auf jeden Fall wahrgenommen, zu der humorlosen Unterart des Homo sapiens und gehen wohl zum Lachen in den Keller. Apropos alt und jung. Wir trafen immer wieder junge Kletterer in den Gebieten an und hatten kein einziges Mal etwas ähnliches zu erleben wie mit dieser Gruppe Humorlos! Ich stelle mir dann immer vor, dass ich mit solchen Leuten in einer Berghütte, z. B. der Engelhornhütte übernachten muss. Dagegen ist wohl Guantanamo auf Kuba ein stilles und erholsames Plätzchen...

Nun gut - siebenmal ein Om mani padme hum für mich ganz alleine und schon war der Ärger verflogen. Statt nach einer geplanten 45 Minuten Pause bis zum Go musste ich so halt 2 Stunden warten. Gegenüber Jürgen würde ich also nie die Ausrede haben können, dass ich zu wenig Erholung gehabt hätte. So stand ich nun gewaltig unter Erfolgsdruck. Ich binde mich ins Seil ein, Schuhe anziehen, Nerven beruhigen, die Finger chalken und auf geht's in die Tour. Die ersten Meter gehen gut, ich fühle mich nun ruhig und wirklich stark. Ich klettere weiter, ohne dass mich die weiten Hakenabstände verunsichern würden. So stehe ich nach kurzer Zeit vor der Schlüsselstelle, als der Himmel einmal mehr an diesem Tag seine Schleusen öffnet. Ich klippe die Express und mache mich nun auf den Weg an die Schlüsselstelle. Ich muss zweimal nachgreifen, bis ich den Schlüsselgriff richtig in der Hand habe. Dann spult sich das einstudierte Programm ab und schon bin ich über der Stelle und weiss, dass jetzt nichts mehr schiefgehen kann. Der Runout zum Umlenker ist dann auch keiner mehr und - YES!!! - ich habe den "Oberförster Pudlich" geklettert. Rasch baue ich die Route ab, verstaue das Material im Rucksack und dann suchen wir eiligen Schrittes das Weite. Einfach ganz schnell weg von hier!

Anschliessend besuchen wir den Kletterladen Rockstore in Betzenheim. Viele interessante Dinge sehe ich dort und Jürgen und ich wechseln viel Geld gegen Gegenstände ein. In Obertrubbach angekommen, besuchen wir das Grab von Wolfgang Güllich. Es ist ein sehr schwieriger Moment für mich.

Die letzte Ruhestätte von Wolfgang Güllich in Obertrubbach
Das "Postgeheimnis" in der Beiz "zur Alten Post" rundet einen weiteren Super-Tag im Frankenjura ab. Wir haben es einfach aufgegessen! Herrlich, so lässt es sich leben!


Gebiet: Wolkensteiner Wand

Route: Oberförster Pudlich, -7 / rotpunkt

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