Life is good, climbing is good

von Chris

Vieles ist in den letzten Monaten geschehen… Dieses Jahr ist zweifellos ein gutes Kletterjahr für mich. Dass es so werden würde, war zwar nicht von mir erwartet worden, aber durchaus erträumt… Im Träumen von Kletterzielen bin ich ja recht gut… Der Wunsch den einen oder anderen Traumclimb zu ziehen gross. Doch hat es in den letzten Jahren aber mit der Umsetzung in die Realität gehapert. Entweder dauerten Projekte am persönlichen Limit zu lange - teils sogar über Jahre, was zur Folge hatte, dass immer viel zu viel dazwischen kommen konnte – oder aber ich hatte wegen so manch einem zu schweren Zug überhaupt keinen Stich. Dass dies nicht unbedingt förderlich für das Selbstvertrauen ist, liegt auf der Hand. So manche Erfahrung in einem Climb am Limit, als ich mich mehr an einem Projekt aufgerieben habe, statt Fortschritte zu machen, kann weitere Vorhaben oder andere Projekte lähmen. So hatte ich mir denn auch selbst Verbote auferlegt, Climbs am oder leicht über dem Limit ausserhalb des Jura, die nicht in einer vernünftigen Zeit von zu Hause aus zu erreichen sind, zu versuchen. Aber gleichzeitig ist es ja auch ziemlich ein Sch**** Träume nicht zu leben. Der Grund sich etwas zu verbieten, obwohl man etwas möchte, sehe ich letztendlich in der Bequemlichkeit. 

Die Linie des Ultraklassikers 'No Sika, No Crime'
Die Ausrede, dass "dies oder jenes nicht klappen kann, weil…" ist erfahrungsgemäss immer schnell gefunden. Da wird Familie, Arbeit, Zeitmangel, Wehwechen etc. aufgezählt. Ich kenne das nur zu gut. Und ich habe mich schon selbst dabei erwischt, dass ich auch das Alter anführte… Die Bequemlichkeit steht nämlich dem Fokus auf das Wesentliche entgegen. Die Frage lautet eigentlich: "Was will ich denn vom Leben?". Der Inhalt des Satzes verweist klar darauf, dass ich selber aktiv werden muss. Darauf zu warten, dass das Leben einem zuspielt und vielleicht der Zufall die Sache gut macht, fatal. Eigentlich alles keine besonderen Weisheiten. Aber dennoch will sich dies einmal gut überlegt sein. Denn trotz besseren Wissens benötigt es Antrieb, Motivation und Selbstwahrnehmung, um sich darum zu bemühen auch etwas zu unternehmen, damit Träume Wirklichkeit werden. Wohlgemerkt, ich spreche hier immer noch vom Klettern. Hatte ich noch vor nicht allzu langer Zeit als Mittvierziger das Alter als einen der Gründe meiner Bequemlichkeit angeführt, stellte ich mir im Winter, als ich mir mit 'Abregenief' ein erstes Ziel setzte und ziemlich trainierte, die Frage, was es denn benötigt, um während des Älterwerdens besser klettern zu lernen. 
Die Antwort lag insbesondere in meiner Gesundheit. Das hatte eine massive Zäsur meines Lebenswandels zur Folge. Seit elf Monaten rauche ich nicht mehr, seit neun Monaten keinen Tropfen Alkohol, Umstellung der Ernährung auf Low Carb (Zeit wurde das, wurde ich doch die letzten Jahre immer schwerer…!), regelmässiges zum Felsklettern ergänzendes Training am Campusboard oder – Oje! – Plastik…

Matthi im 'Hybris'-Dyno
Ich könnte so viel über diese Themen schreiben, sind es doch interessante Felder zum entdecken. Sie bringen mir näher, wie Körper und Geist aufeinander wirken, wie unser Organismus funktioniert. Doch möchte ich daraus – darin sehe ich nämlich eine Gefahr –keine Ersatzreligion machen oder noch schlimmer, missionarischen Eifer entwickeln. Gerade hier nicht im Blog. Jeder muss für sich selbst entscheiden, was man im (Kletter-)Leben will. Anraten kann ich aber, sich diese Frage einmal selbst ganz bewusst zu stellen. Vorausgesetzt, man ahnt während dem sonst "normal-und-für-sich-so-halt-herumklettern" das noch etwas darüber hinaus möglich wäre, ein Traum, den man sich aber verbietet. 

Auf jeden Fall bestätigt aber jeder durchgestiegene Climb mein neues Kletterleben. Und nach mehreren Monaten ohne Alk und Nikotin sowie guter Ernährung die Erkenntnis: es fühlt sich ausgezeichnet an! Und prima, mit meinem mesomorphen Körperbau, der sonst leicht Fett und Muskeln aufbaut, musste ich nach sieben Monaten dringend zum Kleiderladen, weil mir meine Jeans über die Hüften rutschten. So kam ich ohne Hungern von Jeansgrösse 32 auf 30… das will ja was heissen!

Nach St. Lèger bin ich dieses Frühjahr ins Lehn gepilgert und konnte einen Traumclimb innert wenigen Tagen realisieren: 'No Sika, No Crime' 8b/b+… ein wahrer Klassiker in der Schweiz! Wunderschön zu klettern, wenn auch die Crux von 'Flamenco' schon etwas gebraucht aussieht. Letzteren Climb hängte ich übrigens auch noch an, ehe ich in 'Bad Boys' einstieg. Durch Inspiration und gutes Zureden von Matthi versuchte ich die Route sofort mit dem 'Hybris'-Dynamo, der auf diese Weise eine in 'Bad Boys' geschlagene Leiste ignoriert. In dieser Version wohl 8b. Nebenan ein Video mit Lukas in 'Hybris'. Von 0:42 bis 2:01 verlaufen 'Hybris' und 'Bad Boys' identisch. Enjoy! Dyno bei 1:55...

Dyno's sind neben Fingerkraft eine meiner grossen Schwächen. Aber mit dem aus den Climbs davor gewonnenen Selbstvertrauen konnte ich mich erfolgreich dem Challenge widmen. Wiederum wurde es zu einem Schlüsselerlebnis, dass ich – nachdem ich den Dyno zum ersten Mal vom Einstieg kommend abfing und am Fels kleben blieb – den ganzen Climb bis zur Umlenkung klettern konnte. So wurde das einst von mir wegen seiner abschüssigen Leisten und Powerkletterei gefürchtete und lange Zeit gemiedene Lehn richtig zu einem persönlichen Wohlfühl-Hot-Spot. Wow!

Stillleben mit Bohrmaschine...
Dass ich aber nicht vor Torheit geschützt bin und Altersweisheit erst noch gelernt werden muss, bewies ich mir kurz darauf auf eindrückliche Weise selbst. Zwei Wochen nach 'Bad Boys' mit weiterem (halt eben doch zu) harten Klettern in Gimmelwald, zusätzlichem (leider natürlich viel zu) hartem Training und nebenher noch (zu anstrengendem) Einbohren eines neuen Gebietes im Jura verriss ich mir den Trizeps… Hallelujah! Selber Schuld… Rasttage ignoriert...

Und das zwei Monate vor Abflug nach Flatanger, wo ich mir doch ein grosses Traumziel gesetzt hatte: Nordic Flower, schon die erste Länge 40m im Dach mit unvorstellbar schönen Strukturen im Granit bei beachtlichen Schwierigkeiten um 8b+… wahrscheinlich einer der besten Climbs auf diesem Planeten! Ich beschloss eines: die Hoffnung nicht fallen zu lassen und setzte alles auf's Auskurieren…

Kommentare

martin hat gesagt…
pure inspiration... und ich muss dringend auch "auskurieren" in mein training integrieren... - ich komme aus dem staunen nicht mehr heraus... dich kann ja nix mehr aufhalten... und dann kletterst du seit neuerem auch noch gerne im lehn... ;)

weiter so und grüsse vom sustenpass.... martin

und es gibt sie eben doch, die vielen dinge die dazwischenkommen können... es fragt sich dann nur was man damit macht...