von Markus
Der alte Jurasaurier an der Schlüsselstelle (Danke Richi) |
...und jetzt mit der
rechten Hand weiter zu gutem Griff, mit links an das offensichtliche
Einfinger-Loch, den Körper näher an die Wand ziehen und es fällt
mir nur noch ein literarisches Meisterwerk ein:
Hier steh ich nun ich
armer Tor und bin so klug als wie zuvor.
Faust. Eine Tragödie
von Johann Wolfgang von Goethe. Eine andere Tragödie wiederholt sich
bei mir ein weiteres Mal. Planlos hänge ich an der Schlüsselstelle
und wünsche mir sehnlichst mein Leiterli zurück. Leiterli zählen
seit 1977 in dieser Route nicht mehr! Die vorausgesagten Regentage
werden mir helfen, im B2 die notwendige Fingerkraft für diesen Zug
anzutrainieren. Aber – was ist passiert?
Ja, es ist eine nicht
zu unterschätzende Crux. Soll ich nun über das Erlebte etwas
schreiben? Ist es nur für mich spannend? Ist es für die
Allgemeinheit spannend? Soll ich einfach dieses Abenteuer für mich
behalten? Jedoch ist es so, dass sich verticalsoul immer mehr zu
meinen Memoiren entwickelt und die Geschichte vom "Salamander"
gehört nun einfach einmal dazu, zu intensiv ist die Beziehung zu
dieser Route.
Es ist Samstag, der 6.
Februar 2016 um ca. 12 Uhr. Roland U. und ich stehen unter der Route
"Salamander" an der Ingelstein. Bereits im Herbst 2015
hatte ich die Idee, nach Jahrzehnten wieder die Route anzuschauen um
meinem seinerzeitigen Scheitern noch tiefer in die Augen sehen zu
können. Aber – so frage ich mich – war die Route immer schon so
hoch? Da habe ich mir aber wieder ein schönes Projekt angelacht...
Salamander an der Ingelstein |
Auf meine eigentümliche
Art wird das Top-Rope installiert. Erst beim Ablassen wird mir
bewusst, dass das 70-Meter-Seil eventuell nicht reichen könnte -
eine neue Dimension der Herausforderung. Bis dato hatte ich immer das
Vergnügen, mit meinen Gspänli auf einem bequemen Band mitten in der
Route einen wohlverdienten Standplatz zu geniessen und mich zu
verpflegen, bevor die zweite Seillänge in Angriff genommen wurde. Ich hatte immer den Job gefasst, den Rucksack mit an den
Stand zu bringen.
Der "Salamander"
hat für mich eine unglaublich intensive Geschichte. 1978 – Richi hatte
die Route bereits rotpunkt geklettert und den damals üblichen roten
Punkt an der Wand angebracht - wollten Roland S., Peter, Olivier
und ich auch die Route klettern. Rotpunkt – natürlich. State of
the Art! Meine Freunde waren mir in Sachen Klettern deutlich
überlegen. Jetzt weiss ich einfach nicht mehr, ob sie die Route je
rotpunkt klettern konnten oder nicht. Jedoch weiss ich ziemlich
genau, dass ich nie, aber auch überhaupt nie irgendwas in der Route
zustande brachte. Ich kletterte sie immer im Nachstieg, mit ganz viel
Seilzug und immer mit Leiterli bewaffnet. Das gab mir ein gutes und
sicheres Gefühl, machte mich zum Favoriten des Rucksacktragens (aka
Sherpa) und ich kam auch immer bis ganz oben.
So stehen Roland U. und
ich unter der Route und fragen uns, wie denn überhaupt in die Route
eingestiegen werden soll. Gemäss meinen Erinnerungen geht die Post
gleich ganz unten ab. Heute jedoch sehe ich die Route mit andern
Augen. Getreu der Information von Richi – "wir wollten einfach
hochkommen, die Schwierigkeit war uns egal" – sehe ich links
den offensichtlichen Einstieg. So klettern wir locker flockig bis zum
3. Bolt und dann ist für beide erst mal Schluss. Irgendwie wursteln
wir uns über die Schlüsselstelle um den oberen Teil dieser
wunderschönen Route klettern zu können. Es wird Rissklettern
verlangt – meine absolute Spezialität. Einmal mehr bleibe ich
mitten in diesem vermaledeiten Riss stecken und komme weder hoch noch
fliege ich raus. Blockade total. Irgendwie gelingt es mir dann doch
der Befreiungsschlag und ich kann weiterklettern. Kurz vor dem
Umlenker kommt eine knackige aber faszinierend schöne Stelle. Beim
Ablassen ist für mich klar: diese Route ist absolut genial, da
bleibe ich auf jeden Fall dran.
Aus free climbs im Basler Jura 1979 (Danke Richi) |
In der Zwischenzeit ist
auch Richi bei uns und erzählt die ganze spannende Geschichte der
ersten freien Begehung der Route. Fasziniert höre ich ihm zu. Er
erzählt so lebendig und lustig, sodass ich mich ganz einfach in
diese längst vergangene Zeit zurückversetzen kann. Wir lachen viel.
Er nimmt die Fluebible in die Hand und liest aus Seite 261 vor:
Erster Nachtrag: Bei
der ersten Freibegehung wurde tatsächlich irgendwie "beschissen":
Um den entscheidenden Tritt an der Schlüsselstelle besser fassen zu
können, entledigte sich der Begeher eines Schuhs, um mit dem grossen
Zeh...
Richi bestätigt, dass der Schuh einfach zu gross war und die einzige Lösung tatsächlich darin bestand, den Schuh nicht zu gebrauchen. Er meint auch, dass es sehr schmerzhaft gewesen sei. Seeehr schmerzhaft. Äusserst schmerzhaft. Ich schaue mir den Tritt genauer an und allein schon der Gedanke, mit dem blossen Zeh.....Jesses nei....!
Richi bestätigt, dass der Schuh einfach zu gross war und die einzige Lösung tatsächlich darin bestand, den Schuh nicht zu gebrauchen. Er meint auch, dass es sehr schmerzhaft gewesen sei. Seeehr schmerzhaft. Äusserst schmerzhaft. Ich schaue mir den Tritt genauer an und allein schon der Gedanke, mit dem blossen Zeh.....Jesses nei....!
Ich steige ein weiteres
Mal im Top-Rope in die Route ein und finde für alle schwierigen
Stellen gute Lösungen. Auch bleibe ich nicht mehr im Riss stecken,
sondern klettere – wie sich das eigentlich immer schon angeboten
hat – ausserhalb des Risses hoch. Einzig die Schlüsselstelle will
mir nicht sauber gelingen, da fehlt es schlicht und einfach an roher
Kraft.
Ein wunderbarer Tag mit
vielen Eindrücken und weit über 100 Klettermeter in den Knochen
geht zu Ende und ich freue mich jetzt schon riesig, bis ich wieder an der
Route arbeiten kann.
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