Unverhofft - kommt oft

von Markus

Es geht alles ganz schnell, viel zu schnell. Ich bin mitten in einem Strudel von Kletterabenteuern! 

Samstag, 26. November. Wettervorhersage: es könnte Sonne geben. Treffpunkt: 11 Uhr in Oberwil. Kletterpartner: Richi. Plan: Rochers du Midi, Projekte abschliessen und beginnen

Die fantastisch schöne vierte Seillänge
Doch dann kam es anders. Als wir so auf dem Parkplatz bei den Rochers du Midi stehen und die Kälte und Feuchtigkeit des Nebels sich etwas unangenehm bemerkbar machen, erblickt Richi den Kletterführer "Berner Jura" im Auto liegen und schlägt zufälligerweise die Seite 274 auf. Auf der Seite 274 befindet sich das Topo vom "Pic de Grandval". "Oh!", sage ich. "Dahin wollte ich schon lange einmal gehen. Es muss ein tolles Gebiet mit einer tollen Mehrseillängen-Route sein". Richi antwortet spontan: "Dort war ich noch nie. Gehen wir dorthin".

2 Sekunden später fährt das Auto weiter in Richtung "Pic du Grandval". Schon bald parkieren wir das Auto und gelangen, nachdem wir noch einen grossen Schluck heissen Tee zu uns genommen und die etwas wärmere Kletterkleidung angezogen haben, auf einem bequemen Weg zum Einstieg der Route. Es ist uns nicht wichtig, wie schwer die Route ist.

Für uns ist es wichtig draussen in der Natur zu sein und eine schöne Mehrseillängen-Tour zu klettern. Wir klettern einfach die logische und damit leichteste Route. Das ergibt eine Kombination aus "La Balade", "Variante" und "Voie des Fourmis". Das sind 6 Seillängen herrliche und unschwierige Kletterei. Fantastisch! Erst auf der Heimfahrt realisieren wir, dass wir den oberen Teil der "Voie des Fourmis" geklettert haben, eine Route, die 1963 vom legendären Maurice Brandt zusammen mit R. Theytaz eröffnet wurde. 1963: da war ich gerade auf dem Weg, 3 Jahre alt zu werden... 

Ich liebe den Blick über die Jurahöhen. Es ist ein schönes Geschenk des Lebens, in dieser Gegend der Welt sein Dasein verbringen und die Schönheiten der Natur geniessen zu dürfen. Auf dem Pic de Grandval stehend, darf ich einmal mehr den Blick in die Weite schweifen und die unbeschreibliche Schönheit dieser Welt auf mich wirken lassen. Vielleicht ist das auch der tiefe Grund, weshalb ich gerne Klettern gehe. Raus aus dem Keller der Dörfer und Städte - hinauf in die Höhe, wo es keine Hindernisse für den Blick gibt, wo der Horizont das Ende bildet.

Ausblick vom Pic du Grandval über den Jura
Der Abstieg durch den Wald auf einem gut ausgebauten Wanderweg ist einfach und schon bald sind wir zurück beim Auto und stärken uns. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass wir noch etwas unternehmen können. Wir schauen uns an und es ist klar: Arête Spécial zu gut deutsch "dr Spez". Das letzte Mal habe ich diesen Grat vor etwa 15 Jahren geklettert und seither schlummert dieses Stück Fels in der Kammer "Abgehakt". Doch "dr Spez" hat eine lange Geschichte für mich. Diese zu erzählen, braucht wiederum gefühlt 400 Seiten. Darauf verzichte ich (im Moment).
Am Stand der letzten Seillänge
In wenigen Minuten fahren wir nach Moutier, parkieren das Auto und einmal mehr sehe ich diesen einzigartig schönen Grat. Anschauen ist das eine, daran klettern ist das andere. Innerlich werde ich etwas nervös, denn ich weiss, dass mir eine wunderschöne Klettertour bevorsteht . 5 Minuten später spazieren wir in voller Kletterausrüstung Richtung Einstieg zum "Spez". Als ich das (vor)letzte Mal hier war, durften wir noch auf den Gleisen zum Einstieg laufen. Häufig sahen wir die etwas aufgeregten Augen der Lokomotivführer, als sie uns auf dem Seitenkanal Richtung Einstieg laufend, viel zu spät für eine Bremsaktion sahen. Das gibt es nun nicht mehr. Ist vielleicht für beide Parteien besser. Es gibt eine herrlich und gut ausgebaute Via Ferrata zum Einstieg und lässt das Abenteuer "Spez" einen Tick intensiver werden. Wir geniessen das Klettern, die Natur gibt ihr Bestes mit einem knalligen Sonnenuntergang, und von ganz oben geniessen wir den Ausblick über die hell beleuchtete Stadt Moutier. Der Abstieg ist einfach und es ist schon Nacht, als wir beim Auto ankommen. 

Ich hätte es beim morgendlichen Kaffee nie und nimmer gedacht, dass ich noch am gleichen Tag 10 Seillängen klettern und dabei eine neue Route kennenlernen und die alte Liebe "Spez" wieder entdecken würde.

Unverhofft – kommt oft. Gott sei Dank ist das so!

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