Face de Plagne, Plagne

von Markus
Zweite Seillänge - fantastische 5b+
Es ist Samstag, 1. April 2017. Wohin des Weges? Bereits am Freitagabend telefonieren Richi und ich und haben nicht den Hauch einer Idee, wohin wir am nächsten Tag klettern gehen sollen. Richis pragmatischer Ansatz grenzt denn auch schon an Genialität. Er meint: "Wenn die alten Männer schon nicht wissen, wohin sie klettern gehen wollen, dann sollen sie doch einfach mal das ganze Material mitnehmen!“

So packe ich am Samstagmorgen mein 70-Meter Seil ein. Ich packe mein 80-Meter Seil ein. Ich packe alle Express und alle Sicherungsgeräte ein. Ich packe die warmen Kleider ein. Wie ich so auf den Rucksack schaue, bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich nun nicht den Rucksack für eine viermonatige Reise ans Ende der Welt gepackt habe oder nicht. Und schwer ist das Teil auch noch, und wie.

Pünktlich um 11 Uhr treffen wir uns auf P Angenstein und wissen exakt nicht, wohin wir klettern gehen sollen. Richi hat auch noch ein
Seillänge 3 - exzellente Kletterei in bestem Fels
Seil mit dabei - 50 Meter lang, 8,5 Millimeter im Durchmesser – ein geniales Stück Ausrüstung! Aus Sicht des Materials könnten wir nun doch 5 Monate nach Patagonien gehen - oder noch länger. Die Frage bleibt: wohin des Weges?

Plötzlich - wie ein Blitz aus heiterem Himmel - die zündende Idee: Bielerwand in Plagne. Im ersten Moment sagt mir das nicht so viel. Auf dem Weg nach Plagne dämmert es mir langsam. Das ist doch die Wand, durch die ich mit allergrösster Mühe und hilfreicher und sehr starker Hand von Chris "geklettert" bzw. hochgezogen worden bin?

Die Erinnerung an die Wand ist gut, damals stand das Abenteuer ganz oben auf der Liste. Mit zunehmendem Alter nehme ich etwas Abstand von den sehr wilden Abenteuern und verlagere den Sinn meines Tuns hin zu Genuss.

Wir parkieren das Auto, steigen aus und die Sonne wärmt herrlich. Soll man überhaupt eine
Zeitzeuge von 1955 - selbst geschmiedet!
Jacke mitnehmen? Der eiskalte Windstoss Sekunden später lässt die Entscheidung leicht fällen und der aufkommende bissige Wind lässt es nicht zu, dass sich während des Marsches zum Ausgangspunkt Schweiss bildet.

Der Wind frischt noch etwas mehr auf und nach einem letzten Becher heissem Tee heisst es  „Action“! Und siehe da – der Abstieg zum Einstieg lässt gute Erinnerungen an einen wunderbaren Tag zusammen mit Chris wach werden und nach wenigen Minuten stehen wir bereits am Einstieg von „Face de Plagne“. Die Wand präsentiert sich in bestem Zustand, kein Wunder, hat es doch seit Wochen nicht mehr geregnet.

Die Route wurde 1955 von Paul-Henri Girardin erstbegangen und ein halbes Jahr später kletterte er solo durch die Wand. Chapeau. Es ist die erste Route, welche an den Rochers de Plagne eröffnet wurde, ein Ultraklassiker also. Geboten und gefordert wird in der Route alles: Athletik, Technik, Steilheit und ganz viel Luft unter den Sohlen. Herrlich!

Prädikat: sehr lohnend

Für mich ist klar, dass ich sicher noch manches Mal an die Face de Plagne kommen werde um all die Klassiker zu klettern. Das wird eine wunderschöne Zeit werden....

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