von Markus
Melchsee-Frutt
heisst das heutige Kletter-Ziel. Ich habe an diesen Ort schlimmste Erinnerungen.
Es war 1980. Im
November 1980 hatte ich das zweifelhafte Vergnügen auf der Stöckalp meinen
ersten WK (Wiederholungs-Kurs) nach meiner UO (Unteroffiziers-Schule)
absolvieren zu dürfen. Wie das so üblich war, durfte ich bereits am Freitag in
den Kadervorkurs einrücken. Es war kalt und jeder, der in den 80er Jahren bei
der Schweizer Armee Dienst leisten durfte weiss, dass die Ausrüstung nicht
gerade den aktuellen Gegebenheiten entsprach – sprich, die Ausrüstung war
einfach nur schwer, lausig, miserabel, mit einem Wort: katastrophal. An diesem
Freitag hatten wir das sagenhafte Glück, auf der Brücke eines uralten
Saurer-LKW, innig die Dieselschwaden einatmend, auf die Melchsee-Frutt
chauffiert zu werden. Da standen wir UO auf einer Reihe und ein Leutnant
erzählte uns, was wir zu tun hätten. Natürlich – wie seinerzeit üblich – musste
unbedingt in den ersten 2 Stunden sicher jeder UO eine «UG mit» (die Waffe mit
Garantie für langwierige Handgelenks-Verletzungen) abfeuern. Um 12 Uhr gäbe es
dann etwas zu essen. Es war eiskalt auf der Melchsee-Frutt, der Wind pfiff
erbarmungslos und wir mussten Gewehrmanipulationen ohne die dafür vorgesehenen
Handschuhe durchführen. Mit kalten Finger hantierten wir an einem eiskalten
Sturmgewehr 56 herum, was die Finger noch kälter werden liess. Ausnahmslos alle
UO zitterten vor lauter Kälte, denn die Schuhe Modell uralt (einfachste
Lederschuhe) liessen auch die Füsse einfrieren. Jeder normal denkende Mensch
hätte gesagt: Übung halt, wir gehen wieder runter, das bringt alles nichts.
Aber die seinerzeitigen Offiziere im Schweizer Militär waren dessen nicht
fähig. Ob sie es heute sind, das will ich gar nicht wissen. Die Offiziere
standen wenige Minuten gelangweilt herum und verkrochen sich nach und nach in
einen Pinzgauer (auch so ein altes stinkendes Gefährt), welches bei laufendem
Motor und voll aufgedrehter Heizung den Herren Offizieren wohlige Wärme
spendete. Das Mittagessen wurde herangefahren. Wir UO zitterten immer mehr vor
lauter Kälte und freuten uns auf etwas Warmes. Wer bekam zuerst serviert? Die
Offiziere im warmen Pinzgauer. Wer bekam ganz zum Schluss das zu wenige Essen
verteilt? Die völlig durchgefrorenen UO. Die «Fass-Strasse» wurde aufgebaut und
das Essen ausgegeben. Es gab Reis mit Geschnetzeltem und Kopf-Salat – in der
Gamelle. Das bedeutet, dass ganz unten der Reis war, darüber das Geschnetzelte
und - on top als Dressing sozusagen - den Salat, welcher mit seiner Salatsauce
die darunterliegenden Portionen entsprechend würzte. Bereits nach wenigen
Sekunden war das Essen kalt und alle waren wir baff als wir realisieren mussten,
dass der Salat zu gefrieren begann. Die Lösung: alles in wenigen Sekunden
herunterschlingen, damit wenigstens etwas im Bauch war. Nach der Mittagspause
mussten wir dann irgendwelche Spielchen mit Waffen und Granaten und
Handgranaten treiben und natürlich jeder eine «UG mit» abfeuern. Und es kam wie
es kommen musste: ein UO verletzte sich dabei das rechte Handgelenk so schwer,
dass sein WK bereits nach wenigen Stunden beendet war. Ich hoffe einfach für
ihn, dass diese Verletzung nicht in einem bleibenden Schaden endete. Die Schikaniererei
nahm den ganzen Nachmittag kein
Ende. Von Verantwortungsgefühl, von normalem Menschenverstand war nichts
vorhanden. Das war der Moment, an dem mein ganzes Gedankenmuster bezüglich
Schweizer Armee irreparablen Schaden erlitt. Es implodierte und seither herrscht
in meinem Hirn nur noch gähnende Leere, wenn sich das Thema um «Krieg spielen»
und «Militär» dreht. Tempi passati, aber so richtig über die Sache werde ich
wohl nie kommen – vermutlich.
Immer wieder hörte ich, dass es auf der Melchsee-Frutt einen schönen Klettergarten gäbe mit Routen, die bestens zu meinem Kletter-Stil passen würden. Doch jedes Mal beim Studium der Routen erinnerte ich mich zurück an die Zeit von November 1980 und es war mir sofort klar, dass ich nicht auf die Melchsee-Frutt zum Klettern gehe - zu negativ waren die Erfahrungen 1980, zu schlimm die psychische Verletzung. Obwohl – der Ort Melchsee-Frutt kann ja nichts dafür, dass ein paar völlig entrückte und verzückte Offiziere der Swiss Army mir solchen Schaden zugeführt haben. Und eigentlich bin ich ja komplett selber schuld, dass ich mich von diesem Erlebnis so zeichnen lasse.
Melchsee-Frutt |
Ein Sektor des grossen und wunderschönen Klettergartens |
Immer wieder hörte ich, dass es auf der Melchsee-Frutt einen schönen Klettergarten gäbe mit Routen, die bestens zu meinem Kletter-Stil passen würden. Doch jedes Mal beim Studium der Routen erinnerte ich mich zurück an die Zeit von November 1980 und es war mir sofort klar, dass ich nicht auf die Melchsee-Frutt zum Klettern gehe - zu negativ waren die Erfahrungen 1980, zu schlimm die psychische Verletzung. Obwohl – der Ort Melchsee-Frutt kann ja nichts dafür, dass ein paar völlig entrückte und verzückte Offiziere der Swiss Army mir solchen Schaden zugeführt haben. Und eigentlich bin ich ja komplett selber schuld, dass ich mich von diesem Erlebnis so zeichnen lasse.
Es ist wie in
einem schlechten Film. Als ich das Ortsschild «Melchtal» sehe, wird es mir
anders. Ich weiss, die nächste Ortschaft heisst «Stöckalp». Dort war ich seinerzeit
stationiert. Es waren grauenhafte Unterkünfte, alles war an diesem Ort schlimm.
Die Fahrt geht weiter und der Schreck nimmt zu. Das alte Wachhaus, in dem ich
die Sonntagswache verbringen durfte, steht immer noch in seiner totalen Trostlosigkeit
da. Gegenüber steht die nun wohl nun renovierte Kantine - zumindest sieht sie nicht mehr so gammlig wie seinerzeit aus. Das Essen war während des
WK einfach grauenhaft. Den Küchenchef hätten wir liebend gern gelyncht. Und
schon sehe ich auf der linken Seite die Truppenunterkünfte. Offenbar
wurden auch diese renoviert und heissen nun Sportcamp. Es sieht immer noch
alles gleich trostlos aus, die Erinnerungen an diese schlimme Zeit wühlen mich auf. Weiter
geht die Fahrt bis uns erwartungsgemäss die Barriere die Weiterfahrt auf die
Melchsee-Frutt versperrt. Wir müssen etwas mehr als 20 Minuten warten und gehen
einen Kaffee trinken. Die ganze Szenerie der Unterkunft ist nun durch, die
Begegnung mit Gegenständen aus einer anderen Zeit ist vorbei und auf wundersame
Weise schliessen sich im gleichen Augenblick die blutenden Wunden. Narben
werden vielleicht zurückbleiben, ein erster grosser Schritt zur Versöhnung mit
einer ungeliebten Zeit aus der Vergangenheit ist getan.
Die Weiterfahrt auf die Melchsee-Frutt ist jeden Autofahrers Traum. Eine enge und nur einspurige Strasse zieht steil hoch und bereits nach 15 Minuten sind wir auf der Melchsee-Frutt. Die Temperatur ist in der Zwischenzeit auf 11 Grad gefallen, doch die Sonne lacht von einem wolkenlosen Himmel und spendet wohlige Wärme. Schnell ist der Rucksack gepackt und zügig marschieren wir zum Klettergebiet. Um die Art der Kletterei kennenzulernen steige ich in eine 5a ein und bin vom ersten Moment an absolut begeistert. Die Sonne brennt nun intensiv, es ist heiss, der Schweiss tropft von der Stirn und ich hoffe inständig, dass sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. Die zweite Route im gleichen Sektor ist ebenfalls wunderschön zu klettern und schon bald wechseln wir den nächsten Sektor. Kurz nach 13:30 Uhr hat die Sonne ausgebrannt, will heissen, es schiebt sich eine dicke Nebelwand den Felsen entlang. Es wird kalt, sehr kalt, doch das Klettern macht ungeheuer viel Spass.
Es gelingen mir wunderschöne Routen mit dem absoluten Highlight «Totemüggerli». Kurz vor 17 Uhr packen wir völlig durchgefroren die Rucksäcke und laufen so schnell wie möglich zum Auto. Auf dem Nachhauseweg ist für mich klar: Ich habe Frieden geschlossen mit der Melchsee-Frutt und ich werde auf jeden Fall wieder zum Klettern den langen Weg von Oberwil her auf mich nehmen. Das nächste Mal werde ich voller Vorfreude auf schöne Routen locker und gelöst durch die Ortschaften «Melchtal» und «Stöckalp» fahren und mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen das Wachhaus, die Kantine und das Sportcamp bestaunen.
Die lang ersehnte Nebelwand sorgt für einen ordentlich tiefere Temperaturen |
Die Weiterfahrt auf die Melchsee-Frutt ist jeden Autofahrers Traum. Eine enge und nur einspurige Strasse zieht steil hoch und bereits nach 15 Minuten sind wir auf der Melchsee-Frutt. Die Temperatur ist in der Zwischenzeit auf 11 Grad gefallen, doch die Sonne lacht von einem wolkenlosen Himmel und spendet wohlige Wärme. Schnell ist der Rucksack gepackt und zügig marschieren wir zum Klettergebiet. Um die Art der Kletterei kennenzulernen steige ich in eine 5a ein und bin vom ersten Moment an absolut begeistert. Die Sonne brennt nun intensiv, es ist heiss, der Schweiss tropft von der Stirn und ich hoffe inständig, dass sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. Die zweite Route im gleichen Sektor ist ebenfalls wunderschön zu klettern und schon bald wechseln wir den nächsten Sektor. Kurz nach 13:30 Uhr hat die Sonne ausgebrannt, will heissen, es schiebt sich eine dicke Nebelwand den Felsen entlang. Es wird kalt, sehr kalt, doch das Klettern macht ungeheuer viel Spass.
Glücklich und zufrieden |
Es gelingen mir wunderschöne Routen mit dem absoluten Highlight «Totemüggerli». Kurz vor 17 Uhr packen wir völlig durchgefroren die Rucksäcke und laufen so schnell wie möglich zum Auto. Auf dem Nachhauseweg ist für mich klar: Ich habe Frieden geschlossen mit der Melchsee-Frutt und ich werde auf jeden Fall wieder zum Klettern den langen Weg von Oberwil her auf mich nehmen. Das nächste Mal werde ich voller Vorfreude auf schöne Routen locker und gelöst durch die Ortschaften «Melchtal» und «Stöckalp» fahren und mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen das Wachhaus, die Kantine und das Sportcamp bestaunen.
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