Drama an der Daumen Ost-Wand

von Markus

Ich treffe Richi wie gewohnt um 11 Uhr auf P Angenstein. Wohin des Weges? Richi hat mir schon vor längerer Zeit versprochen, dass ich mit ihm einen Riss-Kletter-Training-Tag im Pelzli verbringen dürfe. Ich sehe es in seinen Augen blitzen. Der 3. November wird dieser Tag sein, an dem ich schonungslos mit einer meiner vielen Kletter-Schwächen konfrontiert werde.

Pelzli - Sektor Daumen

Nach kurzer Fahrt sind wir im Pelzli, parkieren das Auto, steigen aus und einmal mehr zeigt sich die Daumen Ost-Wand von ihrer allerschönsten Seite. An dieser Ost-Wand ist ja nicht nur Richis Ultra-Klassiker "Illusion", sondern der Ostwand-Riss zieht sich wunderschön quer durch die Wand hoch. Nach 7 Minuten Anmarsch stehen wir unter der sagenhaft schönen Wand. Was blitzt denn so aus der Wand? Eine neue Route? Wurde vielleicht eine Route zusätzlich in die jetzt schon mit Bohrhaken übersäte Wand gepfercht? Ich werde nervös und deponiere sofort den Rucksack.

Die "Daumen-Ost" hat bei mir einen enorm hohen Stellenwert. Nicht nur, dass mit der "Illusion" an dieser Wand Kletter-Geschichte im Basler Jura geschrieben wurde. Neben der einzigartigen Schönheit der Wand ist es auch das Faktum, dass ich mit meinen Freunden Roland, Peter und Olivier Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts immer und immer wieder im Dülfersitz die Ostwand abgeseilt bin und uns dies immer wieder zu Helden werden liess. Der Knaller war allerdings, dass wir es schafften, mit Leiterli bewaffnet, diese griff- und trittlose Wand zu besiegen, d.h. in schönster A1-Manier den Gipfel zu erreichen. Peter und Roland schafften es sogar, den unteren Teil der Route, also den Riss, ohne Leiterli zu klettern. Sie waren für mich die absoluten Überflieger.

Daumen Ost - Der Ostwand-Riss ist klar zu erkennen

Mehr als 40 Jahre später stehe ich wieder unter dem Riss. Mit nun etwas besser geschultem Auge sehe ich durchaus die Möglichkeit, diese Route ohne Leiterli klettern zu können. Da hat es klar vorhandene Griffe und Tritte. Und es hat Bolts. Und es hat noch mehr Bolts. Ich schaue einmal nach oben, ein zweites Mal und beim dritten Mal sage ich laut: "So einer spinnt" und meine damit den Sanierer des vor einigen Jahren bestens sanierten Ost-Wand-Risses. Was ich sehe verschlägt mir den Atem. Da stecken doch tatsächlich eine Express-Distanz von den bisherigen Bohrhaken neue Bohrhaken. Ich würde ja nichts sagen, wenn die "alten" Bohrhaken irgendwelche Korrosions-Schäden aufweisen würden. Aber da ist nichts zu sehen. Die "alten" Bohrhaken sind in tadellosem Zustand. Der Unterschied ist jetzt einzig, dass die neuen Bohrhaken einen etwas grösseren Durchmesser haben und man könnte sich notfalls daran abseilen.

Ausblick vom Gipfel des kleinen Daumen

Ich verstehe so etwas nicht, ich erkenne den tieferen Sinn dieses Tuns nicht. Wenn schon neue Bolts aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen gesetzt werden müssen, dann soll doch bitte das alte Material entfernt werden. Oder ist das zu viel der Mühe? Oder ist das einfach zu viel von mir verlangt? Sehe ich das einfach zu eng? Die Wand hat ihre ganze Ästhetik verloren. Überall stecken nun Bohrhaken. Nein, das ist nicht schön anzusehen und verschandelt aus meiner Sicht diese wunderschöne Ost-Wand. Ein wundervolles Felsgemälde ist für immer zerstört. Irgendwie finde ich dieses Tun respektlos gegenüber der Natur und der nachfolgenden Generation Kletterer.

Ich bin kein Bohrhaken-Kritiker, ich bin weit davon entfernt. Jedoch stört es mich, wenn Kletter-Monumente willentlich zerstört werden. Eigentlich wäre doch die Daumen-Ostwand dafür prädestiniert, exakt 2 Routen zu beherbergen: "Ostwand-Riss" und "Illusion".

Wenn weniger mehr ist. Schade um die Daumen-Ostwand.

Kommentare

Chris Frick hat gesagt…
Keine Ahnung, wer da am werkeln, bohren und nachsanieren ist. Pflege der Routen und Felsen geht aber alle an. Wenn neue und die grösseren FFME-Klebebolts über die alten und kleineren GRIWL-Klebeanker oder Spits gesetzt wurden und das alte Material offenbar noch nicht entfernt worden ist, darf jeder andere Kletterer gerne mal zwei oder drei Stunden vom Klettertag abziehen und sich um der Ästhetik willen selber an die Arbeit machen. Da reicht eine 80 cm bis 1 m lange Eisenstange, um die GRIWL problemlos abzuscheren. Spits einfach Plättli abschrauben und Segmentanker mit Hammer versenken. Wer es ganz schön haben will, rührt etwas Zement an und verstreicht die abgescherten oder eingeschlagenen Bolts. Weg ist der alte Müll... Bitte alle Kletterer an die Arbeit und nicht nur konsumieren... :) Schön soll unser Basler Jura bleiben!
Patrik Müller hat gesagt…
Weniger ist aber tatsächlich manchmal mehr! Denn wenn eine (immerhin...) mit Griwil abgesicherte Route unbedingt "saniert" werden muss, ist es am Sanierer die nötige Ästhetik herzustellen, sprich mit Flex und Zement das nicht mehr gebrauchte Zeugs zum Verschwinden zu bringen. Ich selber habe manche Extratour "veranstaltet", d.h. ein zusätzliches Mal über die sanierte Route abgeseilt, um die Route dahingehend nachträglich zu verschönern.
Wenn ein Sanierer dies nicht macht, steht es um dessen Ästhetikempfinden nicht besonders gut, oder es geht ihm bloss um ein Haken-Versenken. Und das sollte es ja nicht sein.
Chris Frick hat gesagt…
Ich gehe mit dir einer Meinung, Patrik. Du sprichst dabei allerdings den Idealfall an. Nur ist dieser am Beispiel Pelzli offenbar nicht gegeben. Somit hat der Nachsanierer offensichtlich entschieden nicht mehr zu tun, als neue Klebehaken zu setzen. Daher kann man noch lange warten bis sich etwas in Sache Ästhetik bewegt. Dies bedeutet , dass die Klettercommunity gefordert ist. Also, wer sich über überflüssig gewordene Haken echauffiert, sollte einen Beitrag leisten und ein paar Stunden aufwenden und das Zeugs rausholen. Sonst passiert nämlich genau: nichts... Es kann im Übrigen auch nicht sein, dass das komplette Sanieren nur auf den Schultern weniger kleben bleibt. Mithilfe gehört zum guten Ton. Wie schon angedeutet: Klettern ist eine Community-Angelegenheit!