"Baumroute" in Ueschinen

von Markus (Text), Bilder by Myriam

Das ganze prachtvolle Leben liegt vor mir und das gilt es zu geniessen. Und hier kommt nun eine kurze Story über die "Baumroute" in Ueschinen.

Ueschinen. Wer kennt das Klettergebiet im Berner Oberland nicht. Es ist ein wunderbarer Tummelplatz für uns Kletterer. Herrliche und auch ausgesetzte Route warten auf uns, schlicht ein "Must" für jeden. Gott sei Dank habe ich schon vor einiger Zeit auf diesem Blog mit dem Schreiben begonnen, sodass ich exakt klären konnte, wann ich das letzte Mal in Ueschinen war. Das war im Jahre 2011 zusammen mit meinem lieben Freud Jürgen (a.k.a. Jüschi), den ich leider in der Zwischenzeit aus den Augen verloren habe. Zusammen kletterten wir seinerzeit die "Diagonale" und damals habe ich mir auch vorgenommen, die "Baumroute" zu klettern.

Die Baumroute führt exakt beim einzelnen Baum vorbei

Und es ist immer die gleiche Geschichte. Solange die Puzzle-Teile nicht zusammenpassen, passt es einfach nicht und es kann auch nicht passend gemacht werden. So geriet auch bei mir Ueschinen in Vergessenheit, allerdings mit einer wunderbaren Erinnerung daran, und wäre da nicht "ReBolting", dann hätte es die nachstehende Geschichte gar nie gegeben.

Beim Surfen im Internet vor einiger Zeit wurde ich mit den Worten "Ueschinen" und "Baumroute" fündig. Die Route wurde 2018 von Brächt Wandfluh und Franz Baumgartner saniert. "Oh, so guet, so cool" dachte ich und wollte sofort nach Ueschinen. Die Jahre vergingen und ich fand nie die Zeit, die "Baumroute" zu klettern. Oder wollte ich vielleicht gar nicht mehr die Route klettern? Es gab eine Zeit von 2020 bis ca. Ende 2022, in der ich eher ans Aufhören als ans Anfangen dachte. Ich konnte viele Dinge in dieser Zeit nicht einsortieren, ich kann es heute noch nicht und Klettern war für mich nicht mehr wichtig. Anyway - life goes on.

Puzzleteil 1 war somit geregelt, "saniert". Puzzleteil 2 war dann schon etwas schwieriger, denn wer will schon mit einem "alten Sack" wie mir noch eine Mehrseillängen-Tour in den Bergen unternehmen? Myriam! 

Wir kennen uns schon viele Jahre, exakt 2 Dekaden. Im Jahr 2022 kletterten wir zum ersten Mal zusammen Mehrseillängen-Touren im Jura und sie hatte enorm viel Spass daran.  So kletterten wir am "Grandval" die Kombination "La cigale + Voie de fourmis", "Voie de l'Aldo" und dieses Jahr "Pilier est". Natürlich kletterten wir den Ultra-Klassiker "Arête spéciale" und in diesem Jahr den "Arête du faucon" im Le Paradis.

Ich neige stark dazu, Pläne zu schmieden und sie dann wieder zu verwerfen. Denn Pläne zu Hause auf dem bequemen Sofa zu schmieden ist deutlich einfacher, als besagte Pläne in die Tat umzusetzen. Ich bin auch, das muss ich zu meinem Leidwesen zugeben, träge im Kopf geworden. Der Biss der früheren Kletterjahre, dieses unbedingte Wollen, ist weg. Das Alter? Mag sein. Doch diesbezüglich habe ich die Rechnung ohne Myriam gemacht. Auf einer der gemeinsamen Touren im Jura habe ich von Ueschinen geschwärmt und dass es dort eine Route gebe, die sie sicher hochkäme und ich sie auf jeden Fall begleiten würde.

Auf die Plätze. Fertig. Los!

Zack - da trifft die Nachricht ein, dass sie am 3. Juni 2023 mit mir gerne nach Ueschinen gehen würde. Und weil wer A sagt auch B sagen muss, verabreden wir uns für Samstag, 3. Juni 2023 für die "Baumroute" in Ueschinen. Alles wird sorgfältig geplant, denn für mich ist es das erste Mal seit 3 Jahren, dass ich ausserhalb des Jura klettern gehe. Wir treffen uns am Bahnhof in Kandersteg und fahren hoch nach Ueschinen. Der Himmel ist wolkenlos, der Wetterbericht meint, dass ab 15 Uhr mit etwas Regen zu rechnen wäre. Die "Baumroute" hat 5 Seillängen und es wird auch wieder über die Route abgeseilt. So aus dem Bauch heraus sollten wir vor dem grossen Regen wieder am Einstieg zurück sein.

Am Ende der 2. Seillänge

Wir parkieren das Auto, schultern unsere Rucksäcke und wandern in 35 Minuten zur "Baumroute". Wir sehen, dass vor uns eine Seilschaft in der Route ist, doch das stört überhaupt nicht. So bereiten wir uns vor und Myriam steigt ein. Es ist wunderschön zuzusehen, wie sie den Fels liest und den einfachsten Weg durch die Wand sucht und findet. Die Seillänge verdient ihren Grad mit 5c+ und es braucht viel Engagement, die rund 35 Meter zu klettern. Die zweite Seillänge (5b) ist richtig leicht und nach kurzer Zeit stehen wir beide beim Baum der "Baumroute". Die Überbrückungsseillänge über Grasbänder ist jetzt nicht so prickelnd, doch gut abgesichert. 

Stand beim Baum der "Baumroute"

Seillänge 3 ist wieder mit 5c+ bewertet und ist richtig schwer. Seillänge 4 (5b) ist etwas leichter als Seillänge 3 und die letzte Seillänge wartet mit einer unglaublich schwierigen Stelle beim Ausstieg auf den Athleten. Myriam hat alle Seillängen geführt! Chapeau! 

Der Oeschinensee

Bereits in Seillänge 4 hören wir, dass Petrus den Zeitplan für den Regen etwas nachjustiert hat. Trockenen Fusses erreichen wir den Gipfel nur um zu sehen, dass eine rabenschwarze Wolkenwand auf uns zusteuert, die definitiv nichts Gutes verheisst. Es ist grosse Eile angesagt, nass werden wir auf jeden Fall. Jetzt gilt es, auf der Abseilfahrt fokussiert zu bleiben. Das gelingt uns sehr gut und als wir wieder beim Baum sind, hört der Regen auf und das Donnergrollen verzieht sich. Myriam meint lakonisch mit einem breiten Lachen, dass wenn wir uns schon nicht vor dem Gewitter fürchten Petrus wohl eingesehen hat, dass uns auch Regen nichts ausmacht.  

Erleichtert seilen wir weiter ab und kommen, nachdem wir an der letzten Abseilstelle das grösste je erlebte "Seilpuff" entschlüsselt haben, wohlbehalten am Einstieg an. Sofort packen wir zusammen und marschieren glücklich zurück zum Auto, denn eine herrliche, anstrengende und herausfordernde Tour mit viel Anspruch auf "Selbst-Überwindung" liegt hinter uns.

Zurück beim Einstieg

An dieser Stelle möchte ich dir, Myriam, von Herzen für die gemeinsame Tour danken. Ein Plan wurde durch dich wahr und das Erlebte wird mir immer in lebhafter Erinnerung bleiben. Und es gilt - wir gehen wieder nach Ueschinen und klettern dann "etwas leichtes". 

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