Lohnt es sich? Silberplatten und Balzers

 Von Markus


Seilbahn auf den Säntis

Lohnt es sich? Lohnt es sich tatsächlich? Auch ich gehörte, Betonung auf gehörte, zu denjenigen, die bei einem Klettertrip sich immer die Frage stellte, ob es sich denn lohne, diesen langen Weg zu gehen, nur um ein paar wenige Seillängen zu klettern. Lohnt sich der Zeitaufwand? Lohnt sich die Investition eines Ferientages von meinem Budget von 25 Tagen pro Jahr? Lohnt sich der gesamte Ressourcen-Aufwand? Eben, lohnt es sich? Sehr häufig bin ich nach sehr kurzem und eingeschränkten Überlegen zum Schluss gekommen, dass es sich nicht lohnt und habe auf einen Ausflug verzichtet. 

Wir könnten jetzt in eine epische Diskussion ausschweifen und es gibt Millionen Gründe für ein Dafür und Millionen Gründe für das Dagegen. Ich will "das Fass" hier gar nicht erst aufmachen, denn eine mögliche Diskussion wird nie zielführend sein und ich möchte auch gar keine Antwort auf diese Frage weder wissen noch lesen noch hören noch sonst etwas.

Zusammen mit Richi habe ich schon häufig über diese Frage diskutiert. Und meines Erachtens hat Richi den richtigen Zugang dazu gefunden. Wenn wir nicht hinfahren, so sagt er, dann wissen wir ja nicht, wie es denn gewesen wäre bzw. wie denn das Klettergebiet ist. Dieses Argument hat mich überzeugt und so frage ich heute gar erst nach dem Lohnenswerten, sondern lasse mich von dem Ausflug an den Fels vom ersten Moment an überraschen, denn jeder Ausflug ist einmalig und ein neues Klettergebiet kennenlernen ist wunderschön.

Blick von der Stütze 2 ins Tal

Ich gehe fürs Leben gerne in die Ostschweiz und der Blog-Leser weiss, dass meine Mutter aus dem Kanton Appenzell-Innerrhoden stammte und ich viele Schulferien-Tage in dieser wunderschönen Gegend von "Hoher Kasten", Sämtisersee, Ebenalp und Alpstein verbringen durfte. Erst viele Jahre später wurde mir bewusst, welches Privileg ich seinerzeit geniessen durfte.

An einen Ausflug mag ich mich sehr gut erinnern. Zusammen mit meinen Eltern, Franz Dörig (meinem späterer Firmgötti) und seiner Frau Mine fuhren wir, wie ich heute weiss, zur Stütze 2 am Säntis. Ich war wohl etwa 8 Jahre alt, als wir diese Wanderung am Säntis unternahmen. Es erfüllte mich mit wahnsinnig viel Respekt, als die Seilbahn mitten in der Fahrt nur für uns stoppte und wir ausstiegen. An die weiteren Einzelheiten mag ich mich nicht mehr erinnern. Höchstwahrscheinlich wanderten wir zum Bergrestaurant Tierwis und von dort "irgendwie" wieder zur Talstation. Ich war seit dieser Zeit nicht mehr in dieser Gegen.

Es war deshalb für mich eine grosse Freude, als Richi einen gemeinsamen Ausflug an die "Silberplatten" vorschlug. Schon vor einigen Zeit las sehr interessiert von diesem Klettergebiet. So fuhren wir am Mittwoch, 7. Juni 2023 früh morgens los und erreichten unser Ziel "Schwägalp" bei strahlend schönem Juni-Wetter. Wir bezahlen die Hin- und Rückfahrt zur Stütze 2 und seither weiss ich, dass es durchaus wertvoll ist, einen gut bezahlten Job in der IT zu haben.

Wir steigen in die Gondel, diese fährt pünktlich los und schon bald sind wir bei der Stütze 2. Beim Aussteigen hüpft mir wie vor vielen Jahren das Herz vor lauter Begeisterung und sofort steigen wir von der Plattform ab, hinunter zum Schnee. Wir haben an alles gedacht, nur nicht daran, dass es noch derart viel Schnee haben könnte.

Schnee, wohin das Auge reicht

Aus der Gebietsbeschreibung geht hervor, dass die Silberplatten in rund 40 Minuten Fussmarsch zu erreichen wären. Wir setzen uns auf einen grossen trockenen Stein, staunen über den vielen Schnee und überlegen, was nun zu tun ist. Sehr schnell werden wir uns einig, dass wir das Klettern auf den Silberplatten auf ein anderes Mal verschieben müssen. Der Hinweg wäre ja noch irgendwie machbar gewesen, doch im tiefen Schnee am Nachmittag nach ein paar Klettermeter wieder zur Stütze 2 zurückzukämpfen, dazu haben wir beide überhaupt keine Lust. So sitzen wir in der Sonne, essen und trinken etwas, geniessen die Ruhe und die einmalig schöne Aussicht auf die Churfirsten und überlegen, was wir als Alternative unternehmen könnten.

Es bleibt nichts anderes übrig, als wieder auf die Stütze 2 zu steigen, die Seilbahn anzuhalten, einzusteigen und wieder zur Talstation herunterzufahren. Für mich ist es eine wunderbare Fahrt, denn ich sehe das Appenzellerland in seiner ganzen Schönheit. Es ist einfach ein fantastischer Ort auf dieser Welt, einmalig schön.

Wunderschön

Zurück bei der Talstation geht das Rätselraten weiter. Was machen wir? Gibt es in der Gegend noch ein schönes Klettergebiet? "Balzers", sagt Richi und ich staune. Balzers kenne ich als einen Ort ennet der Grenze im Fürstentum Liechtenstein. So fahren wir von der Schwägalp in das Klettergebiet Balzers. Ich bin diese Strecke noch nie gefahren und wir kommen an bekannten Orten wie z. B. Wildhus vorbei. Es ist - ich wiederhole mich - eine Fahrt durch eine wunderschöne Gegend, ein Traum!

Der noch junge und eingezwängte Rhein

Wir finden das Klettergebiet auf Anhieb und ich staune ein weiteres Mal, wie wunderschön die Natur ist. Der Rhein scheint mir von Menschenhand etwas eingezwängt zu sein, das wird wohl seinen Grund haben. Der Zustieg zum Klettergebiet lässt mein Herz höher schlagen (max. 30 Sekunden) und schon stehen wir unter einer wunderbaren Platte. Bei genauem Hinsehen ahne ich allerdings, was denn in der nächsten Zeit auf mich zukommen wird. Wir sind nicht die ersten Kletterer an dieser Platte und so glänzt die eine oder andere Kletterpassage in der Sonne. Nun gut, glänzende Kletterstellen gibt es auch am Gempen Ost und ich habe von Richi gelernt, dass der Schuh auf polierten Stellen trotzdem hält.

Das Klettergebiet

Das Klettergebiet ist hervorragend eingerichtet und der Sichernde hat die Herausforderung, Mountainbiker aus dem Weg zu gehen, wenn diese mit Volldampf vor der Felsen durchfahren. Andere Klettergebiete - andere Herausforderungen.

Wir verbringen herrliche Momente im Klettergebiet und klettern wunderschöne Linien. Es ist ein wahrer Genuss, "Meister Richi" auf den Platten beim Zaubern zuzusehen. Er klettert gekonnt über die von unten aalglatt aussehenden Stellen und findet immer die richtige Lösung. Ich hingegen bin äusserst froh, dass das Seil nach oben geht und mich endlich nur noch der grosse Zeh rechts schmerzt und nicht mehr die Achilles-Sehne. 

Und? Hat es sich gelohnt? Obwohl ich die Frage mir gar nie stellte, beantworte ich sie hier gerne. Natürlich hat es sich gelohnt. Denn ich lernte 2 Klettergebiete kennen, konnte in Erinnerungen schwelgen, konnte eine wunderschöne Fahrt in die wunderschöne Ostschweiz unternehmen und verbrachte eine unbeschwerte und glückliche Zeit mit Richi. Was braucht es mehr, um durch und durch glücklich zu sein?

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